Es ist das endgültige Aus für eine deutsche Mode-Ikone: Der insolvente Bekleidungshersteller Gerry Weber wird alle rund 40 eigenen Geschäfte in Deutschland schließen. Auch die Läden in anderen europäischen Ländern sind betroffen. Die Marke soll künftig unter dem Dach der spanischen Victrix-Gruppe fortgeführt werden – allerdings ohne eigene Läden, sondern über den Handel.
Das Unternehmen aus Halle/Westfalen, das einst für klassische Damenmode im mittleren Preissegment stand, erklärte am Freitag, dass der Gläubigerausschuss dem Übernahmekonzept des spanischen Familienunternehmens zugestimmt habe. „Über die wirtschaftlichen Details wurde Stillschweigen vereinbart“, heißt es aus dem Umfeld der Insolvenzverwaltung.
Für treue Kundinnen bleibt zumindest ein kleiner Trost: Die Kleidung der Marke Gerry Weber soll weiterhin über ausgewählte Multimarkenhändler angeboten werden. Die Victrix-Gruppe kündigte an, die Produktlinien künftig über ihre bestehenden Strukturen neu zu vertreiben. So solle der Übergang für Handel und Kundschaft „nahtlos“ verlaufen.
Gerry Weber hatte im März zum dritten Mal Insolvenz anmelden müssen – nach vorherigen Verfahren in den Jahren 2019 und 2023. Die Gründe sind vielfältig: Wandel im Einkaufsverhalten, gestiegene Kosten, schrumpfende Innenstädte – und eine Markenstrategie, die nicht mehr den Nerv der Zeit traf. Geschäftsführer Christian Gerloff sprach dennoch von einem „bemerkenswert schnellen Abschluss“ des Investorenprozesses. Angesichts der Krise im Modehandel sei das „alles andere als selbstverständlich“.
Die Übernahme durch Victrix bedeutet auch: Das Kapitel eigener Filialbetrieb in Deutschland ist beendet. Was bleibt, ist eine Marke mit Geschichte – und die Hoffnung auf einen digitalen und internationalen Neustart.
OZD
OZD-Kommentar
Was für ein stilles Ende. Gerry Weber, einst Inbegriff für tragbare
Damenmode und ein fester Bestandteil deutscher Fußgängerzonen,
verabschiedet sich aus dem stationären Handel – endgültig. Das Aus aller
Läden zeigt, wie gnadenlos die Realität im Mode-Einzelhandel geworden
ist.
Die Kunden kaufen online, die Innenstädte sterben leise – und mit ihnen verschwinden Traditionsnamen, an denen einst ganze Generationen hingen. Gerry Weber hat es trotz mehrfacher Rettungsversuche nicht geschafft, den Sprung in die digitale Zukunft konsequent genug zu vollziehen. Die Markenbindung reichte nicht aus, die Konzepte blieben zu altbacken.
Dass nun ausgerechnet ein spanisches Familienunternehmen übernimmt, ist kein schlechtes Omen – es ist vielmehr der letzte Rettungsanker. Doch es bleibt ein bitterer Beigeschmack: Während Spanien das Produkt vermarktet, verliert Deutschland ein Stück Unternehmenskultur – und viele Mitarbeiterinnen ihre Jobs.
Der Modemarkt wird gnadenloser. Wer nicht radikal modernisiert, verschwindet. Gerry Weber ist nur das jüngste Opfer – weitere werden folgen.
OZD-Analyse
1. Ausgangslage
a) Unternehmen: Gerry Weber International AG, Halle/Westfalen
– Fokus: Damenmode im mittleren Preissegment
– Vertrieb: Eigene Stores, Outlets, Multimarkenhändler
b) Insolvenz: März 2025 – drittes Verfahren nach 2019 und 2023
– Grund: Marktveränderung, Umsatzrückgänge, gestiegene Kosten
2. Entscheidung und Übernahme
a) Filialschließung
– Alle 40 deutschen Läden sowie europäische Stores betroffen
– Schrittweise Aufgabe innerhalb der kommenden Monate
b) Käufer: Victrix-Gruppe (Spanien)
– Familienunternehmen mit bestehender Vertriebsstruktur
– Nutzung der Marke ohne eigenen Einzelhandel
– Fokus auf Multimarkenhändler
3. Auswirkungen
a) Beschäftigte
– Hoher Stellenabbau zu erwarten, genaue Zahlen nicht genannt
– Keine Übernahme der Filialmitarbeiter
b) Marktstrategie
– Gerry Weber künftig als Produktmarke, nicht als Handelsmarke
– Fortführung im europäischen Markt über neue Kanäle
4. Bedeutung für den Einzelhandel
– Beispiel für die Erosion stationärer Modeketten
– Innenstädte verlieren weitere Magnetmarke
– Digitalisierung und Strukturwandel bleiben zentrale Herausforderungen
Was ist die Victrix-Gruppe?
Victrix ist ein
spanisches Familienunternehmen mit Sitz in Barcelona. Die Gruppe ist im
Modevertrieb aktiv und setzt auf effiziente Multichannel-Strategien.
Durch den Erwerb von Gerry Weber will Victrix ihre europäische Präsenz
ausbauen und den Fokus auf ausgewählte Märkte und Händler legen. Eigene
Filialen betreibt Victrix nicht.
Wer ist Christian Gerloff?
Christian Gerloff ist
ein erfahrener Insolvenzexperte und Geschäftsführer der Gerry Weber
International AG. Er begleitete bereits mehrere Restrukturierungen in
der Modebranche. Im Fall von Gerry Weber leitete er den dritten
Investorenprozess innerhalb von sechs Jahren.
Wer war Gerry Weber:
Eine Geschichte der Mode und Herausforderungen
Die Gerry Weber International GmbH wurde 1973 von Gerhard Weber und Udo Hardieck in Halle (Westfalen) gegründet
Ursprünglich begann das Unternehmen unter dem Namen Hatex KG mit der Produktion von Damenhosen, erweiterte aber bald sein Sortiment um Röcke, Blusen und Jacken. 1986 wurde die Marke Gerry Weber offiziell eingeführt und weltweit geschützt. Ein Sponsoringvertrag mit der damals aufstrebenden Tennisspielerin Steffi Graf trug maßgeblich zur Bekanntheit der Marke bei
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich Gerry Weber zu einem bedeutenden Akteur in der Modebranche. Das Unternehmen expandierte international und führte weitere Marken wie Taifun (1989) und Samoon (1994) ein, die sich auf unterschiedliche Zielgruppen spezialisierten 1989 erfolgte der Börsengang, und das Unternehmen wurde in Gerry Weber International AG umbenannt
Doch in den letzten Jahren geriet Gerry Weber in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Trotz Sanierungsversuchen in 2019 und 2023 konnte das Unternehmen seine finanzielle Lage nicht stabilisieren.
2023 wurden 122 der 171 eigenen Läden in Deutschland geschlossen, und etwa 450 Stellen wurden gestrichen. Schließlich wurde die Marke 2025 von der spanischen Modefirma Victrix übernommen, während alle verbliebenen 40 Shops und Outlets in Deutschland geschlossen wurden. Die Marke Gerry Weber bleibt erhalten, wird aber künftig über Handelspartner vertrieben
Gerry Weber war nicht nur ein Modeunternehmen, sondern auch ein bedeutender Sponsor im Sportbereich. Das Unternehmen gab einem bekannten Tennisturnier in Halle (Westfalen) seinen Namen und unterstützte zahlreiche Veranstaltungen
Trotz der Herausforderungen bleibt die Marke ein Symbol für feminine Mode und Qualität.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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