Verteidigungsminister Boris Pistorius nennt erstmals eine konkrete Zahl: 50.000 bis 60.000 zusätzliche Soldatinnen und Soldaten soll die Bundeswehr brauchen, um die neuen Nato-Fähigkeitsziele zu erfüllen. Die Botschaft ist klar: Die sicherheitspolitische Lage erfordert einen massiven Ausbau. Doch wie dieser Kraftakt gelingen soll – personell, finanziell und gesellschaftlich – bleibt vage.
Pistorius spricht von Freiwilligkeit, räumt aber ein, dass weder Kasernen noch Ausbildungsplätze ausreichen. Eine neue Wehrpflicht? Nicht umsetzbar, zumindest vorerst. Der Minister bewegt sich zwischen sicherheitspolitischem Ernstfall und infrastrukturellem Mangelbetrieb. Was wie eine pragmatische Bestandsaufnahme wirkt, ist in Wahrheit ein sicherheitspolitischer Offenbarungseid: Jahrzehnte der Unterfinanzierung lassen sich nicht in wenigen Jahren reparieren, schon gar nicht im Schatten einer akuten Bedrohungslage.
Doch neben Kapazitäten und Geld fehlt vor allem eins: eine breite gesellschaftliche Debatte. Was heißt eigentlich „Verteidigung“ im Jahr 2025? Welche Rolle will Deutschland international spielen? Welche Szenarien sind realistisch – und wo beginnt symbolische Übererfüllung von Nato-Zielen, nur um politischen Druck aus Washington abzubauen?
Die angestrebten fünf Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben – mehr als doppelt so viel wie heute – sind nicht nur eine Zahl, sondern ein Paradigmenwechsel. Pistorius redet von Großverbänden, von Ausrüstung, von Klarstand. Doch kaum von Transparenz, Kontrolle und demokratischer Rückbindung dieser Zielmarken.
Es braucht Klartext: Wofür genau werden 60.000 Menschen gebraucht – und was heißt das für eine Gesellschaft, die weder Kasernen noch Wehrpflicht will? Wer Menschen gewinnen will, muss mehr bieten als martialische Pläne. Er muss überzeugen.
OZD
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Bild: AFP