Die jüngsten russischen Drohnen- und Raketenangriffe auf Kiew und andere ukrainische Städte haben zu einer politischen Eskalation geführt: Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) verurteilte das Vorgehen Moskaus am Dienstag als „schwerste Kriegsverbrechen“ und „Terror gegen die Zivilbevölkerung“. Russland habe versucht, ein „Blutbad anzurichten“, so Merz nach einem Treffen mit dem niederländischen Regierungschef Dick Schoof in Berlin. Dass Schlimmeres verhindert wurde, sei einzig der „wirkungsvollen ukrainischen Verteidigung“ zu verdanken.
Laut ukrainischer Luftwaffe handelte es sich um den größten nächtlichen Angriff seit Beginn der Invasion: 479 Drohnen und 20 Marschflugkörper habe Russland allein in der Nacht zum Montag eingesetzt. In Sibirien wurden bei den ukrainischen Gegenangriffen zuvor mehrere russische Militärflugzeuge zerstört – Moskau hatte daraufhin massive Vergeltung angekündigt.
Für Merz ist klar: Russland setze nicht auf Verhandlung, sondern auf Eskalation. Die Angriffe zielten nicht auf militärische Objekte, sondern eindeutig auf zivile Infrastruktur. Der Bundeskanzler forderte deshalb eine weitere Verschärfung der Sanktionen. Die bisherigen Maßnahmen hätten die russische Wirtschaft „empfindlichst getroffen“, dennoch müsse der Druck erhöht werden. „Die Frage, wie lange Russland diesen Krieg noch durchhält, hängt auch davon ab, wie stark die Sanktionen wirken“, betonte Merz.
Auch die Niederlande sicherten ihre Unterstützung zu. Ministerpräsident Schoof versprach: „Die Niederlande werden weitere Sanktionspakete gegen Russland immer unterstützen.“ Merz sieht beim anstehenden NATO-Gipfel in Den Haag ein „Zeichen der Stärke und Abschreckung“ als zentrales Ziel, das Moskau klar signalisieren soll, dass Europa geeint und entschlossen agiert.
Mit Blick auf die USA unterstrich Merz die Partnerschaft mit Washington. Seine Gespräche mit Donald Trump hätten gezeigt, dass Europa als verlässlicher Partner wahrgenommen werde. OZD / ©AFP.
OZD-Kommentar: Endlich
Friedrich Merz hat deutliche Worte gefunden – und sie sind bitter nötig.
Wer in Kiew nachts um sein Leben bangt, während hunderte Drohnen den
Himmel verdunkeln, braucht mehr als Solidaritätsbekundungen. Russland
führt keinen Krieg im klassischen Sinne – es betreibt systematischen
Zivilterror. Und jeder Tag, an dem Europa nicht entschlossener handelt,
ist ein verlorener Tag für die Freiheit. Die Sanktionen mögen wirken,
aber sie reichen nicht. Geld, Technologie, Einfluss – jeder Hebel muss
gezogen werden, um Putin die Kriegsmaschinerie abzudrehen. Merz hat das
erkannt. Jetzt müssen auch alle anderen in Europa erkennen: Wer Frieden
will, darf nicht zögern. Denn das Blut, das in der Ukraine fließt,
schreit längst nach Gerechtigkeit.
OZD-Analyse
1. Die Eskalation russischer Angriffe
a) Umfang – 479 Drohnen und 20 Marschflugkörper in einer Nacht dokumentieren einen massiven Angriffswillen.
– Ziel waren nicht nur strategische Punkte, sondern Wohngebiete, Stromversorgung und öffentliche Infrastruktur.
b) Taktik – Die Angriffe folgten präzisen ukrainischen Schlägen auf russische Militärstützpunkte.
– Russland reagiert offenbar nicht mit konventionellen Militäraktionen, sondern mit Terrorstrategien.
c) Wirkung – Die ukrainische Luftabwehr konnte viele Drohnen abwehren, dennoch gab es Zerstörung und Tote.
2. Merz und Europa auf Konfrontationskurs mit Moskau
a) Politische Bewertung – Merz nennt die Angriffe „schwerste Kriegsverbrechen“.
– Er fordert explizit eine neue Stufe der Sanktionen und schließt symbolische Maßnahmen aus.
b) Diplomatische Allianz – Die Niederlande zeigen sich als enger Partner Deutschlands.
– Gemeinsam wollen beide Länder den NATO-Gipfel für eine klare Signalpolitik nutzen.
c) Brücke zu den USA – Merz betont die transatlantische Partnerschaft, auch gegenüber Trump.
– Er lobt die Sanktionspläne beider Parteien im US-Kongress als wichtiges Signal.
3. Wirkung und Zukunft der Sanktionen
a) Bisherige Maßnahmen – Russland leidet unter Wirtschaftssanktionen, aber hält den Krieg aufrecht.
– Die russische Rüstungsindustrie wird durch Importe aus Drittstaaten teils gestützt.
b) Notwendigkeit der Ausweitung – Weitere Sanktionen müssen gezielt
gegen die Energiebranche und Technologieimporte gerichtet sein.
– Finanzflüsse, Oligarchennetzwerke und globale Transportkanäle bieten zusätzliche Ansatzpunkte.
c) NATO-Gipfel als Wendepunkt – Am 24./25. Juni in Den Haag soll eine neue Strategie formuliert werden.
– Europa will Führungsstärke demonstrieren, auch ohne eindeutige US-Zusagen für die Zeit nach der Wahl.
Biografie
Wer ist Dick Schoof?
Dick Schoof ist geschäftsführender Ministerpräsident der Niederlande.
Der parteilose Verwaltungsprofi war zuvor Chef des Geheimdienstes AIVD
und wurde 2024 als Kompromisskandidat von einer Vier-Parteien-Koalition
ins Amt gehoben. Nachdem diese Koalition unter dem Druck des
Rechtspopulisten Geert Wilders zerbrach, blieb Schoof kommissarisch im
Amt. Er gilt als pro-europäisch, sicherheitsorientiert und
verwaltungstechnisch erfahren. Seine Zustimmung zu schärferen
Russland-Sanktionen macht ihn derzeit zu einem wichtigen Verbündeten
Deutschlands in der Ukraine-Politik.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.