Was in Berlin zur Anklage kommt, ist kaum in Worte zu fassen: Ein Palliativarzt soll 15 wehrlose Patientinnen und Patienten heimlich getötet haben – nicht aus Mitleid oder auf deren Wunsch, sondern laut Anklage aus niedersten Beweggründen. Das Vertrauen, das schwerstkranke Menschen in ihn gesetzt haben, soll er mit tödlicher Kälte gebrochen haben.
Der Fall geht über individuelles Versagen hinaus – er trifft ein gesellschaftliches Nervenzentrum. Gerade in der Palliativversorgung, wo Nähe, Fürsorge und ethische Verantwortung zentral sind, wird Vertrauen zur Lebensgrundlage. Wird dieses missbraucht, ist nicht nur ein Mensch tot – es bricht ein ganzes System in sich zusammen.
Noch ist nicht rechtskräftig über Schuld entschieden. Doch schon jetzt stellt sich die Frage: Wie konnte ein solcher Verdacht so lange unbemerkt bleiben? Dass der Haftbefehl mehrfach erweitert werden musste, weil immer neue Taten entdeckt wurden, offenbart erschreckende Kontrolllücken – im Pflegedienst, im Gesundheitssystem, vielleicht auch im Umgang mit Sterben und Tod.
Der Prozess wird lang – und muss mehr klären als juristische Schuld. Es braucht Aufklärung über Strukturen, die solche Taten ermöglicht oder zu spät erkannt haben. Und eine ehrliche Debatte darüber, wie wir die Schwächsten besser schützen können.
OZD
Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: AFP