Kommentar & Analyse
Ein stiller Abschied – doch was bedeutet er?
Der Stechrochen wurde seit 1980 nicht mehr in Nord- oder Ostsee nachgewiesen – nun ist es offiziell: Er ist ausgestorben. Kein großes Medienecho, kein Aufschrei. Und doch ist sein Verschwinden ein warnendes Echo dessen, was wir seit Jahrzehnten verdrängen: Unsere Meere sind in Schieflage.
Einzelfall oder Systemversagen?
Der Stechrochen ist nicht der einzige Verlierer. Die aktuelle Rote Liste der Meeresfische weist Dutzende Arten mit hohem Gefährdungsgrad aus: Dornhai, Aal, Heringskönig, Seehecht. Dass 67 Arten noch als „ungefährdet“ gelten, mag beruhigend klingen – doch es sind 38, die gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits verschwunden sind. Fast jede dritte Art also.
Nutzung, Verschmutzung, Klima – ein tödliches Dreieck:
Das Bundesamt für Naturschutz benennt die Hauptursachen: Überfischung, Umweltbelastung, Temperaturveränderungen durch die Klimakrise. Der Kabeljau – früher ein „Brotfisch“ der Nordsee – ist heute kaum noch zu finden. Der wärmeliebende Wolfsbarsch hingegen nimmt zu. Auch das zeigt: Es geht nicht nur um einzelne Arten – es geht um das Kippen ganzer Ökosysteme.
Schutzgebiete? Nur auf dem Papier nützlich.
Immer wieder fordern Behörden „wirksame Schutzgebiete“. Doch genau da liegt das Problem: Die meisten dieser Gebiete bestehen nur auf dem Papier – ohne wirkliche Einschränkungen für Fischerei oder Industrie. Wo trawlgefischte Schleppnetze durch angebliche Schutzräume pflügen, bleibt vom Schutz wenig übrig.
Was der Stechrochen uns lehrt:
Sein Aussterben ist kein Zufall. Es ist ein Indikator – so wie der kanarische Piepmatz in der Kohlegrube einst vor tödlichem Gas warnte. Der Stechrochen verschwand, weil er keine geeigneten Lebensräume mehr fand, keine Rückzugsorte, keine Nahrung in ausreichender Menge – und weil wir zu lange weggesehen haben.
Was jetzt passieren müsste:
Mehr als warme Worte braucht es Taten: echte, kontrollierte Schutzräume, ein Ende der industriellen Grundschleppnetzfischerei, strengere Klimaziele auch mit Blick auf marine Ökosysteme. Der Verlust des Stechrochens darf nicht folgenlos bleiben.
Fazit:
Das Verschwinden des Stechrochens ist ein Mahnmal. Nicht nur für einen verlorenen Fisch – sondern für unser schlechtes Verhältnis zu den Meeren. Wir sehen, was wir verlieren – oft aber zu spät. Diesmal sollten wir genauer hinschauen – und handeln, bevor weitere Arten folgen.
OZD
Alle Angaben ohne Gewähr.
Bild: AFP