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Austausch als Menschlichkeit in einem unmenschlichen Krieg

Der vierte Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine innerhalb einer Woche bringt seltene Momente der Menschlichkeit in einen ansonsten erbarmungslosen Krieg.

Dass ausgemergelte Soldaten in Flaggen gehüllt, mit Tränen in den Augen, in ihre Heimat zurückkehren können, ist eine Erinnerung daran, dass hinter den Frontlinien weiterhin individuelle Schicksale stehen. Und dass diese nicht vollständig im politischen Kalkül beider Seiten untergehen.

Doch auch wenn Präsident Wolodymyr Selenskyj den Austausch öffentlichkeitswirksam betont und das russische Verteidigungsministerium mit patriotisch inszenierten Videos antwortet, bleibt eine bittere Erkenntnis: Dieser Krieg hat längst ein Maß an Brutalität erreicht, in dem selbst der Austausch von Toten als diplomatischer Erfolg gewertet wird. Mehr als 1200 Leichen, die Kiew in den letzten Tagen von Moskau erhalten hat – das ist kein Fortschritt, das ist das Protokoll eines anhaltenden Sterbens.

Die Gespräche in Istanbul, deren einzig sichtbares Ergebnis dieser Austausch ist, zeigen, wie festgefahren die Fronten geblieben sind. Russland fordert weiterhin die Aufgabe ukrainischer Territorien und den Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft – Bedingungen, die in Kiew niemand ernsthaft in Betracht ziehen kann, ohne die Souveränität des Landes aufzugeben. Dass der Kreml auf dieser Linie beharrt, spricht nicht für eine echte Bereitschaft zur Deeskalation.

Währenddessen wird im Nordosten der Ukraine weiter gekämpft. Die russische Offensive in der Region Sumy – angeblich zur Errichtung einer "Pufferzone" – ist nichts anderes als ein Versuch, durch militärische Gewalt neue Realitäten zu schaffen. Dass die ukrainische Armee ein Dorf zurückerobern konnte, ist ein lokaler Erfolg – doch kein strategischer Wendepunkt.

Bleibt der Eindruck: Austauschaktionen wie diese sind notwendig und tröstlich – aber sie sind auch ein Ablenkungsmanöver von der Tatsache, dass ein echter Waffenstillstand nicht in Sicht ist. Und dass dieser Krieg weiter täglich Opfer fordert, die am Ende wieder nur in Flaggen gehüllt zurückkehren.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP