Die Waffen sollen schweigen – in Etappen. US-Präsident Donald Trump hat überraschend eine „komplette“ Feuerpause zwischen Israel und dem Iran verkündet. Auf seiner Plattform Truth Social erklärte Trump, beide Seiten hätten einer stufenweisen Waffenruhe zugestimmt, die binnen 24 Stunden zum „offiziellen Ende“ des Krieges führen solle. Bestätigungen aus Teheran und Tel Aviv lagen zunächst nicht vor.
Die Feuerpause soll laut Trump um 06.00 Uhr MESZ beginnen – zunächst mit einem einseitigen Waffenstillstand des Iran. Zwölf Stunden später werde Israel folgen. Während dieser Zeit, so Trump, hätten sich beide Seiten verpflichtet, „friedlich und respektvoll“ zu agieren. Nach Ablauf der 24 Stunden sei der Krieg offiziell vorbei.
Trump zeigte sich siegessicher: „Dieser Krieg hätte Jahre dauern und den gesamten Nahen Osten zerstören können. Aber das ist nicht der Fall – und wird niemals so sein.“ Dass ausgerechnet er die Beendigung der Eskalation zwischen den Erzfeinden verkündet, dürfte weltweit für Staunen sorgen.
Der militärische Hintergrund bleibt angespannt. In der Nacht vor Trumps Ankündigung waren in Teheran erneut Explosionen zu hören. Israel hatte zuvor Zivilisten zur Evakuierung aufgerufen. Seit dem israelischen Großangriff auf den Iran am 13. Juni fliegen beide Länder wechselseitig Angriffe auf Atomanlagen, Militärstützpunkte und strategische Infrastruktur.
Noch in der Nacht zum Sonntag hatten sich auch die USA militärisch eingeschaltet und drei iranische Nuklearanlagen – Fordo, Natans und Isfahan – mit bunkerbrechenden Bomben attackiert. Darauf reagierte Teheran mit einem Raketenangriff auf die US-Basis Al-Udeid in Katar. Trump selbst hatte diesen Schlag als „sehr schwach“ bezeichnet und dem Iran für die Vorwarnung gedankt.
Die iranische Führung bestätigte später, dass der Vergeltungsschlag eine direkte Reaktion auf die US-Bombardierungen gewesen sei – und gab sogar an, dass die Zahl der iranischen Raketen der Zahl der US-Bomben entsprochen habe.
Was bleibt, ist ein fragiles Abkommen – und ein Präsident, der sich als Friedensstifter in Szene setzt. Während Israel in Teheran weiter Evakuierungen anordnete, hält Donald Trump das Narrativ vom nahen Frieden aufrecht. Ob die Realität diesem Versprechen standhält, dürfte sich binnen weniger Stunden zeigen.
OZD
OZD-Kommentar
Trump inszeniert sich als Friedensstifter – und die Welt soll dankbar sein. Doch was wie ein diplomatischer Coup klingt, ist vor allem eines: ein riskantes Spiel mit Symbolik. Während in Teheran noch Explosionen erschüttern, verkauft Trump den Nahost-Krieg als beinahe beendet. Dass weder Israel noch der Iran die angebliche Vereinbarung bislang bestätigt haben, spielt offenbar keine Rolle. Wichtiger ist das Bild: Trump als Macher, als Mann mit direktem Draht zu den Mächtigen, als Retter in letzter Minute. Doch wie belastbar ist diese Waffenruhe? Alles deutet darauf hin, dass sie vor allem auf Trumps Wunschdenken basiert – und weniger auf konkreten Garantien. Sollte der „Zwölf-Tage-Krieg“ wirklich enden, hätte Trump zweifellos einen Moment für die Geschichtsbücher geschaffen. Doch das Risiko bleibt: Frieden lässt sich nicht per Social-Media-Dekret verordnen. Die Lage bleibt explosiv – auch politisch.
OZD-Analyse
1. Trumps Verkündung: Fakt oder Fiktion?
– Bisher fehlen offizielle Bestätigungen aus Israel und dem Iran.
– Die Ankündigung folgt dem Muster vorheriger Trump-Diplomatie: medienwirksam, aber inhaltlich dünn unterlegt.
– Mögliches Kalkül: politische Profilierung vor dem Wahlkampf.
2. Die stufenweise Waffenruhe: ein ungewöhnliches Modell
a) Chronologie des Plans:
– 06.00 Uhr MESZ: Waffenruhe Iran.
– 18.00 Uhr MESZ: Waffenruhe Israel.
– 24.00 Uhr MESZ: offizielles Kriegsende.
– Das Modell erinnert an eine symbolische Vertrauensprobe – mit enormer Fallhöhe bei Missachtung.
b) Realistische Umsetzung?
– Die fortgesetzten Explosionen in Teheran werfen Zweifel auf.
– Israels Vorwarnung zur Evakuierung spricht eher für neue Angriffspläne als für Deeskalation.
3. Die Rolle der USA im neuen Gleichgewicht
– Nach der B-2-Bombardierung am Wochenende ist Trump bemüht, nicht als Kriegstreiber zu erscheinen.
– Die USA positionieren sich nun als Vermittler – trotz eigener Militärschläge.
– Mögliches Ziel: Stabilisierung, aber auch Eigenprofilierung gegenüber Europa und China.
4. Internationale Reaktionen bleiben aus – vorerst
– EU, Russland und China haben sich zu Trumps Initiative bislang nicht geäußert.
– Auch aus der arabischen Welt bleibt es still – das deutet auf Misstrauen gegenüber der Initiative hin.
– Ein stufenweiser Frieden muss mehr sein als ein digitaler Post auf Truth Social.
Was ist eine stufenweise Waffenruhe?
Eine stufenweise Waffenruhe beschreibt ein Abkommen, bei dem Konfliktparteien nicht gleichzeitig, sondern zeitlich versetzt ihre Kampfhandlungen einstellen. Ziel ist es, Vertrauen aufzubauen und eine Eskalation in der Übergangsphase zu vermeiden. In hochbrisanten Konflikten birgt dieses Modell allerdings erhebliche Risiken, da ein Bruch durch eine Seite die gesamte Vereinbarung zunichtemachen kann.
Was ist Al-Udeid?
Al-Udeid ist der größte US-Stützpunkt im Nahen Osten, nahe Doha in Katar. Er dient als Drehkreuz für US-Militäroperationen im Irak, Iran, Afghanistan und darüber hinaus. Die Basis beherbergt neben strategischen Kommandoeinheiten auch das Luftabwehrsystem für die Region. Ein Angriff auf diesen Stützpunkt gilt als direkte Provokation der USA.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.