Die Vorwürfe wiegen schwer – und sie schlagen hohe Wellen: In einer Aktuellen Stunde im Bundestag hat die Opposition am Mittwoch heftige Anschuldigungen gegen Unionsfraktionschef Jens Spahn erhoben. Der CDU-Politiker, während der Corona-Pandemie Bundesgesundheitsminister, soll laut einem internen Bericht massiv gegen Vergaberichtlinien verstoßen und Milliarden an Steuergeldern verschwendet haben.
„Wir mussten verzichten, Sie haben verteilt – an Parteifreunde, ohne Ausschreibung“, warf Linken-Chefin Ines Schwerdtner dem ehemaligen Minister vor. Spahn habe sich „selbst versorgt – mit Kontakten, mit Deals, mit Milliarden aus unserem Steuergeld“. Im Zentrum der Kritik steht ein Bericht der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof, der dem Haushaltsausschuss vorliegt und massive Vorwürfe gegen Spahns Ministerium in Bezug auf die Maskenbeschaffung enthält.
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sprach von einem möglichen Schaden von bis zu elf Milliarden Euro. Die Union drangsaliere Bedürftige wegen ein paar Euro Bürgergeld, zeige aber „keinerlei Aufklärungswillen“ bei dieser Milliardenverschwendung – ein Verhalten, das Audretsch als „bigott“ bezeichnete.
Besonders scharf fiel die Kritik aus den Reihen der AfD aus. Die Abgeordnete Claudia Weiss sprach von einem „politischen Totalversagen“ und forderte eine Enquetekommission mit echten Konsequenzen. Sie warf Spahn und der Union „Mauern und Vertuschen“ vor – bei gleichzeitiger „erschütternder Gleichgültigkeit“ gegenüber dem Geld der Bürger.
Die CDU-Abgeordnete Simone Borchardt verteidigte Spahn vehement. Der Sudhof-Bericht sei kein offizielles Gutachten, sondern ein „politisches Manöver“ ohne objektive Grundlage. Man dürfe nicht vergessen, in welcher dramatischen Lage sich das Land damals befunden habe. Die geplante Enquetekommission begrüßte sie dennoch – als Chance auf wissenschaftliche Aufarbeitung der Pandemiepolitik.
SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis widersprach Borchardt deutlich: Der Bericht sei parteiunabhängig erstellt worden und belege schwerwiegende Fehler. Die Bürger hätten ein Recht auf Transparenz, so Pantazis. Auch Grüne und Linke zeigten sich enttäuscht vom Auftritt der CDU-Ministerin Nina Warken im Gesundheitsausschuss. Von echter Aufklärung sei keine Spur zu sehen gewesen. Stattdessen sei der Eindruck entstanden, Warken wolle Spahn decken, so Janosch Dahmen (Grüne).
Die Linke forderte unterdessen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Nur so könne der Verdacht von Machtmissbrauch und möglicher Korruption während der Pandemie lückenlos aufgearbeitet werden.
OZD
OZD-Kommentar:
Was sich im Bundestag am Mittwoch abspielte, ist ein alarmierendes Lehrstück darüber, wie politische Verantwortung unter den Teppich gekehrt werden soll – koste es, was es wolle. Jens Spahn, der während der Pandemie Milliarden für überteuerte Masken ausgab, sieht sich nun mit dem schwersten Vorwurf konfrontiert: Er könnte das Vertrauen der Bürger in den Staat verspielt haben.
Dass ausgerechnet die CDU, die sich sonst als Wächterin der Haushaltsdisziplin inszeniert, nun jeden Versuch abwehrt, die Maskenaffäre aufzuarbeiten, ist ein fatales Signal. Die Diskreditierung eines offiziellen Berichts, bloß weil er unangenehm ist, lässt nur einen Schluss zu: Es soll vertuscht, nicht aufgeklärt werden.
Wer elf Milliarden Euro Steuergeld riskiert – ohne transparente Verfahren, ohne Kontrolle –, darf sich nicht auf Ausnahmesituationen berufen. Wenn politische Netzwerke und Parteifreunde in der Krise profitieren, ist das keine Notmaßnahme, sondern ein Fall für den Staatsanwalt. Ein Untersuchungsausschuss ist nicht nur sinnvoll, er ist zwingend notwendig.
OZD-Analyse
1. Inhalt und Brisanz des Sudhof-Berichts:
a) Der Bericht der Sonderbeauftragten Margaretha Sudhof listet massive Verstöße gegen Vergaberichtlinien auf.
– Es wurden Verträge ohne Ausschreibung vergeben.
– Interne Empfehlungen und juristische Bedenken wurden übergangen.
b) Der Schaden für die Staatskasse beläuft sich laut Analyse auf bis zu elf Milliarden Euro.
2. Politische Reaktionen:
a) Die Opposition verlangt lückenlose Aufklärung.
– Linke, Grüne und AfD werfen der CDU gezielte Vertuschung vor.
b) Die CDU spricht von politischem Theater.
– Simone Borchardt wertet den Bericht als „vermeintliches Gutachten“, ohne objektiven Wert.
3. Spahns Verhalten und die Rolle der Union:
a) Jens Spahn äußert sich nur hinter verschlossenen Türen – ein bedenkliches Signal.
– Der politische Wille zur Transparenz scheint zu fehlen.
b) Ministerin Warken wird von Oppositionsparteien kritisiert.
– Sie soll Spahn gedeckt haben, statt den Aufklärungsauftrag des Ministeriums zu erfüllen.
4. Konsequenzen und Forderungen:
a) Eine Enquetekommission wurde angekündigt – mit begrenztem Mandat.
– Ihre Effektivität hängt von Umfang und Offenheit ab.
b) Opposition verlangt Untersuchungsausschuss mit rechtlichem Zugriff.
– Nur ein solcher könne Machtmissbrauch und mögliche Korruption ans Licht bringen.
Wer ist Jens Spahn?
Jens Spahn, geboren 1980 in Ahaus, ist CDU-Politiker und seit 2021 Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Von 2018 bis 2021 war er Bundesgesundheitsminister. In dieser Funktion verantwortete er die Beschaffung von Schutzausrüstung während der Corona-Pandemie. Kritisiert wurde er wiederholt für intransparente Beschaffungsvorgänge und millionenschwere Aufträge ohne Ausschreibung. Spahn gilt als konservativer Hardliner in seiner Partei und als einflussreiche Figur im Wirtschaftsflügel der Union.
Was ist die Enquetekommission des Bundestags?
Die Enquetekommission ist ein Gremium des Bundestags zur wissenschaftlichen Analyse komplexer politischer Themen. Sie besteht aus Abgeordneten aller Fraktionen sowie externen Sachverständigen. Ihre Aufgabe ist es, fundierte Empfehlungen für Gesetzgebung oder Reformen zu erarbeiten. In der aktuellen Debatte soll sie die Maßnahmen der Pandemiepolitik bewerten. Anders als ein Untersuchungsausschuss besitzt sie jedoch keine rechtliche Zwangsbefugnis und kann keine Zeugen vorladen oder Akteneinsicht erzwingen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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