Die Deutsche Lufthansa erhält grünes Licht für den Einstieg bei der lettischen Fluggesellschaft AirBaltic. Das Bundeskartellamt hat am Montag die geplante Minderheitsbeteiligung von zehn Prozent genehmigt – wenn auch widerwillig. Kartellamtspräsident Andreas Mundt betonte, dass die Entscheidung „entgegen erheblicher wettbewerblicher Bedenken“ getroffen wurde.
Lufthansa und AirBaltic stehen auf mehreren Strecken im direkten Wettbewerb, doch alternative Anbieter sind rar. „Dennoch mussten wir den Zusammenschluss genehmigen, weil es sich bei den betroffenen Strecken insgesamt gesehen um sogenannte Bagatellmärkte mit sehr geringen Umsätzen handelt. Bei solchen Märkten ist ein Einschreiten des Amtes nicht möglich“, erklärte Mundt.
Mit dem Einstieg erhält Lufthansa nicht nur zehn Prozent der Anteile, sondern auch Rechte an der Beschlussfassung der Airline. Zudem wird die Wetlease-Kooperation ausgeweitet: AirBaltic stellt Lufthansa künftig noch mehr Flugzeuge samt Personal zur Verfügung – ein für die Letten finanziell bedeutendes Geschäft.
Die Wettbewerbshüter gehen davon aus, dass Lufthansa einen „wettbewerblich erheblichen Einfluss“ auf AirBaltic erlangen wird. Es sei zu erwarten, dass die Interessen der Minderheitsaktionärin Lufthansa künftig bei wichtigen Entscheidungen von AirBaltic maßgeblich berücksichtigt werden.
Dennoch bleiben Lufthansa und AirBaltic rechtlich eigenständig. Wettbewerbswidrige Absprachen sind untersagt – andernfalls könnte das Kartellamt eingreifen.
OZD-Kommentar
Das Bundeskartellamt steht vor einem Dilemma: Einerseits will es den Wettbewerb schützen, andererseits lässt das Recht bei sogenannten Bagatellmärkten kaum Handlungsspielraum. Die Entscheidung zeigt, wie groß der Einfluss großer Konzerne selbst bei Minderheitsbeteiligungen werden kann – und wie schwierig es ist, den Wettbewerb im europäischen Luftverkehr zu sichern.
OZD-Analyse
Vertiefung wichtiger Aspekte: Die Beteiligung verschafft Lufthansa strategische Vorteile und stärkt ihre Präsenz im Baltikum. Die Wetlease-Kooperation vertieft die wirtschaftlichen Verflechtungen.
Szenarien: Sollte Lufthansa ihren Einfluss weiter ausbauen, könnte dies den Wettbewerb auf bestimmten Strecken weiter schwächen. Gleichzeitig könnte AirBaltic finanziell profitieren, aber an Eigenständigkeit verlieren.
Auswirkungen und Entwicklungen: Die Entscheidung könnte Signalwirkung für ähnliche Fälle im europäischen Luftverkehr haben. Wettbewerbshüter stehen künftig vor der Herausforderung, auch bei kleinen Märkten die Balance zwischen Wettbewerb und wirtschaftlicher Realität zu halten.
Erklärungen
Minderheitsbeteiligung: Erwerb eines kleinen Anteils an einem Unternehmen, meist unter 50 Prozent, oft mit bestimmten Mitspracherechten.
Bagatellmarkt: Markt mit sehr geringen Umsätzen, bei dem das Kartellamt rechtlich kaum eingreifen kann.
Wetlease: Leasing von Flugzeugen inklusive Besatzung und Wartung durch eine andere Airline.
Wettbewerbliche Bedenken: Befürchtung, dass eine Beteiligung den Wettbewerb einschränken könnte.
Biographien und Institutionen
Deutsche Lufthansa: Deutschlands größte Fluggesellschaft, international führender Luftfahrtkonzern.
AirBaltic: Lettische Fluggesellschaft mit Schwerpunkt auf Verbindungen zwischen dem Baltikum und Europa.
Bundeskartellamt: Deutsche Wettbewerbsbehörde, zuständig für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen.
Andreas Mundt: Präsident des Bundeskartellamts, bekannt für seine kritische Haltung gegenüber Marktkonzentrationen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP
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