Russland hat nach eigenen Angaben die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk in der ostukrainischen Region Donezk erobert. Kremlchef Wladimir Putin sei von Generalstabschef Waleri Gerassimow bereits am Sonntagabend über die Einnahme informiert worden, teilte der Kreml am Montag mit. Gleichzeitig meldete Moskau auch die Kontrolle über die Stadt Wowtschansk in der Region Charkiw.
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Video, das Soldaten beim Hissen der russischen Flagge im Zentrum von Pokrowsk zeigen soll. Die Stadt war monatelang schwer umkämpft. Vor dem Krieg lebten dort rund 60.000 Menschen, die Lage war für die ukrainische Logistik besonders bedeutend: In Pokrowsk kreuzen sich mehrere Straßen- und Bahnlinien, die Versorgung der ukrainischen Armee lief über diese Knotenpunkte.
Mit dem Fall der Stadt verschlechtert sich die Lage der ukrainischen Truppen an mehreren Frontabschnitten dramatisch. Nicht nur könnte Russland seine Angriffe weiter Richtung Westen und Norden ausweiten – bis hin zu den Großstädten Kramatorsk und Slowjansk –, auch Einheiten im benachbarten Myrnograd drohen abgeschnitten zu werden. Seit Monaten hatte die Ukraine versucht, die Stadt zu halten, im November sogar Spezialeinheiten nachgeführt.
Auch Wowtschansk, eine seit Mai 2024 umkämpfte und weitgehend zerstörte Stadt nahe der russischen Grenze, soll nun unter russischer Kontrolle stehen. Russlands Verteidigungsminister Andrej Belussow sprach von einem „wichtigen Schritt“ zur Erreichung der Kriegsziele.
Die Entwicklungen fallen in eine Phase neuer Verhandlungen zwischen Kiew und Washington über einen US-Plan zur Kriegsbeendigung. Besonders umstritten bleibt der Umgang mit den Gebieten, die Russland derzeit besetzt hält. US-Sondergesandter Steve Witkoff wird am Dienstag Kremlchef Putin zu weiteren Gesprächen in Moskau treffen.
OZD
OZD-Kommentar „Das Pulverfass von Pokrowsk: Kiews Front droht zu brechen“Der Fall von Pokrowsk ist mehr als eine verlorene Stadt – er ist ein Menetekel für die gesamte ukrainische Verteidigungslinie. Russland hat einen der wichtigsten logistischen Nervenknoten der Ukraine herausgerissen, und die Folgen werden sich wie Schockwellen entlang der Front ausbreiten. Wer die Karten studiert, erkennt sofort die strategische Dimension: Pokrowsk öffnet Moskau gleich mehrere neue Achsen für Offensiven, von denen jede Kiew an den Rand eines operativen Desasters treiben könnte.
Die Bewunderung für den ukrainischen Wiederstand ändert nichts daran, dass diese Niederlage die Armee an ihre Belastungsgrenzen führt. Die Gefahr einer Einkesselung in Myrnograd, die drohende Schwächung der Verteidigung von Kramatorsk und Slowjansk, die angespannte Versorgungslage – das alles summiert sich zu einer brandgefährlichen Mischung. Und während die USA über einen diplomatischen Ausstieg verhandeln, schafft Russsland militärisch Fakten.
Die Wahrheit ist bitter: Die Ukraine braucht jetzt mehr als Durchhalteparolen. Sie braucht dringend neue Waffen, neue Munition, neue Kräfte – und eine politische Strategie, die über das Reagieren hinausgeht. Sonst könnte Pokrowsk zum Wendepunkt werden, an dem Putins Armee endgültig die operative Initiative zurückerobert.
Mini-Infobox
Pokrowsk: strategischer Logistikknoten im Donbass
Vor dem Krieg: ca. 60.000 Einwohner
Russland meldet zusätzlich Einnahme von Wowtschansk
Gefahr einer Einkesselung ukrainischer Einheiten in Myrnograd
Neue US-Ukraine-Gespräche stehen unmittelbar bevor
OZD-Analyse
1. Militärische Bedeutung der Eroberung
– a) Pokrowsk ist logistisches Herzstück der ukrainischen Donbass-Verteidigung –
– b) russischer Vormarsch nach Westen/Norden jetzt wahrscheinlicher –
– c) drohende operative Instabilität in mehreren Frontabschnitten –
2. Politische Dimension
– a) Russland setzt vor Diplomatiegesprächen militärische Fakten –
– b) US-Plan zur Kriegsbeendigung hängt am Umgang mit besetzten Gebieten –
– c) innenpolitischer Druck auf Kiew steigt aufgrund der Verluste –
3. Strategische Risiken für die Ukraine
– a) Versorgung der Armee im Donbass erheblich erschwert –
– b) Gefahr der Einkesselung weiterer Truppenteile –
– c) mögliche Auswirkungen auf Moral, internationale Unterstützung und Zeitdruck –
Erklärungen
Was ist Pokrowsk?
Pokrowsk ist eine Stadt im östlichen Donbass mit großer strategischer
Bedeutung. Sie gilt als logistischer Knotenpunkt, über den die
ukrainische Armee Truppen und Material im Raum Donezk versorgt.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Wer ist Waleri Gerassimow?
Gerassimow ist der russische Generalstabschef und einer der obersten
militärischen Entscheidungsträger Russlands. Er koordiniert die
militärischen Operationen im Ukraine-Krieg.
Extra: Kramatorsk und Slowjansk – die nächsten Ziele?
Beide Städte gelten als symbolische und operative Hochburgen der
Ukraine. Sollte Russland nach dem Fall von Pokrowsk ernsthaft vorrücken,
wäre dies einer der gefährlichsten Abschnitte des gesamten
Kriegsverlaufs.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.