Die kommunalen Schulden in Deutschland sind Ende 2024 auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Mit 4448 Euro pro Kopf lagen sie 6,3 Prozent höher als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt auf Basis einer Modellrechnung meldete. Insgesamt belief sich die Verschuldung der Gemeinden und Gemeindeverbände beim nichtöffentlichen Bereich auf knapp 343,8 Milliarden Euro.
In der Modellrechnung werden nicht nur Schulden der kommunalen Kernhaushalte, sondern auch die Verbindlichkeiten von Extrahaushalten, Fonds, Einrichtungen und Unternehmen berücksichtigt – jedoch ausschließlich gegenüber Kreditinstituten und Versicherern. Besonders auffällig: Hessen wies mit 6291 Euro die höchste Pro-Kopf-Verschuldung auf und löste damit das Saarland an der Spitze ab. Dort stiegen die Schulden lediglich leicht, weil das Land über den sogenannten Saarlandpakt kommunale Kassenkredite übernahm.
Den stärksten Anstieg verzeichnete Nordrhein-Westfalen mit fast zehn Prozent. Auch Schleswig-Holstein und Bayern meldeten deutliche Zuwächse, liegen aber weiterhin unter dem Bundesdurchschnitt. Einen gegenteiligen Trend zeigte Rheinland-Pfalz: Hier sanken die kommunalen Schulden dank eines Landesprogramms zur Übernahme von Liquiditätskrediten um mehr als zehn Prozent. Bundesweit am besten stehen Brandenburg und Sachsen da, deren Kommunen mit 2587 beziehungsweise 3148 Euro die geringste Pro-Kopf-Verschuldung aufweisen.
OZD
OZD-Kommentar „Schuldenfalle Deutschland: Wenn Kommunen nicht mehr können“
Der Schuldenstand der Kommunen ist längst kein Randthema mehr – es ist ein Warnsignal. Denn wer glaubt, es handele sich um reine Haushaltstechnik, verdrängt die Realität: Marode Schulen, fehlende Investitionen, wegbrechende Infrastruktur und wachsender Frust vor Ort. Dass Hessen nun an der Spitze der Verschuldung steht, zeigt, wie dramatisch die Lage geworden ist. Gleichzeitig bildet NRW mit seinem Rekordanstieg die nächste Eskalationsstufe ab.
Diese Entwicklung frisst das Fundament kommunaler Handlungsfähigkeit. Und schlimmer: Sie spaltet das Land. Während einige Bundesländer sich aus eigener Kraft oder mit cleveren Rettungspaketen stabilisieren, drohen andere finanziell endgültig abzurutschen. Ein föderales Flickwerk ersetzt kein strategisches Umdenken.
Das eigentliche Problem liegt tiefer: Der Bund überträgt Aufgaben, ohne dauerhaft ausreichend Mittel bereitzustellen. Kommunen werden zu Erfüllungsgehilfen – ohne Werkzeug, ohne Geld, aber mit wachsendem Druck. Wenn diese Spirale anhält, entscheidet nicht mehr demokratische Planung über die Zukunft der Städte, sondern reine Zahlungsfähigkeit. Das ist gefährlich. Und es ist die echte Schuldenfalle.

Mini-Infobox
Pro-Kopf-Schulden 2024: 4448 Euro
Gesamtverschuldung kommunaler Ebene: 343,8 Mrd. Euro
Höchste Belastung: Hessen (6291 Euro)
Stärkster Anstieg: NRW (+9,9 %)
Größter Rückgang: Rheinland-Pfalz (–10,2 %)
OZD-Analyse
1. Regionale Ungleichheit der Verschuldung
– a) Hessen zieht durch hohe Kassenkredite an die Spitze
– b) Saarland durch Landespaket leicht entlastet
– c) Ostdeutsche Länder bleiben vergleichsweise stabil
2. Gründe für die finanzielle Schieflage
– a) steigende Sozialausgaben belasten dauerhaft die Haushalte
– b) Investitionsstau führt zu immer höheren Folgekosten
– c) mangelnde Gegenfinanzierung durch Bund und Länder
3. Politische Konsequenzen und Risiken
– a) drohende Handlungsunfähigkeit vieler Kommunen
– b) wachsende Disparitäten zwischen Regionen
– c) akuter Reformdruck: Kommunalfinanzen brauchen strukturellen Neustart

Erklärungen
Was sind kommunale Schulden?
Kommunale Schulden sind Kredite von Städten, Gemeinden und Landkreisen
gegenüber Banken und Versicherungen. Sie dienen der Finanzierung
laufender Ausgaben, Investitionen oder der Deckung struktureller
Defizite.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Was ist der Saarlandpakt?
Der Saarlandpakt ist ein Programm des Saarlands, das kommunale
Kassenkredite übernimmt, um Städte und Gemeinden finanziell zu entlasten
und langfristig zu stabilisieren.
Extra: Wann Kommunen handlungsunfähig werden – die stille Gefahr hinter steigenden Schulden
Wenn Zinslasten und Pflichtaufgaben größere Teile des Haushalts
verschlingen, können Städte weder investieren noch modernisieren. Genau
diese Schwelle rückt für viele Kommunen gefährlich nahe.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.