Es ist ein Verlust, der sich kaum mit Zahlen allein beschreiben lässt – und doch tun es die Zahlen mit erschreckender Klarheit: Nur noch 28,45 Vögel pro Garten wurden bei der NABU-Zählung in diesem Jahr im Schnitt beobachtet. Vor zehn Jahren waren es noch rund 36. Der Trend ist eindeutig – und tief beunruhigend.
Was schwindet, ist nicht nur ein Stück Naturromantik, nicht nur das morgendliche Vogelkonzert auf dem Balkon. Es ist ein Stück intaktes Ökosystem. Ein Frühwarnsystem der Natur, das uns deutlich zeigt, was längst im Argen liegt: Unsere Gärten, Städte, Dörfer – sie verlieren zunehmend ihre Vielfalt. Wo früher Amseln, Meisen, Finken flogen, ist heute oft Stille.
Besonders bitter trifft es die Amsel – einst eine der häufigsten Arten, nun unter Druck durch das tödliche Usutu-Virus. In Schleswig-Holstein wurden über 30 Prozent weniger Amseln gesichtet als noch im Vorjahr. Aber das Virus allein erklärt den Rückgang nicht. Hitze, Trockenheit, versiegelte Flächen, fehlende Hecken, Monokultur – die Liste der Ursachen ist lang, menschengemacht und längst bekannt.
Und trotzdem passiert zu wenig. Ein paar Insektenhotels hier, ein Blühstreifen da – das ist gut, aber nicht genug. Wir brauchen konsequenten Flächenschutz, mehr wilde Ecken in unseren Gärten, weniger Beton, weniger Pestizide, mehr Verantwortung.
Denn was wir gerade erleben, ist das schleichende Verschwinden von Arten, die zu unserem Alltag gehörten. Wer meint, das gehe ihn nichts an, irrt. Vögel sind Indikatoren – geht es ihnen schlecht, ist der Rest der Natur meist nicht weit davon entfernt.
Mehr als 57.000 Menschen haben mitgezählt. Das ist ermutigend. Aber es braucht mehr als Engagement an einem Wochenende. Es braucht politischen Willen, ökologisches Umdenken – und den Mut, dem Vogelsterben nicht länger beim Fortschreiten zuzusehen.
OZD
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Bild: AFP