Die jüngsten Beschlüsse des schwarz-roten Koalitionsausschusses stoßen in der deutschen Wirtschaft auf breite Zustimmung – auch wenn viele Branchenvertreter mehr als nur symbolische Entlastungen fordern. Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), nannte das angekündigte Maßnahmenbündel einen "wichtigen ersten Schritt", warnte jedoch zugleich: "Für eine echte Schubumkehr in der Wirtschaftspolitik reicht das allein noch nicht."
Insbesondere die geplante Senkung der Energiekosten, Sonderabschreibungen und die angedeutete Unternehmenssteuerreform sorgen für vorsichtigen Optimismus. „Planungssicherheit“ sei das, was viele Unternehmen nun dringend bräuchten, erklärte Adrian.
Auch Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), lobte die Initiative, mahnte jedoch zügige Umsetzung an. Abschreibungsregeln und Körperschaftsteuer müssten "jetzt auch tatsächlich kommen", erklärte sie. Zudem forderte sie, das Lieferkettengesetz nach europäischen Vorgaben anzupassen und bürokratische Hürden abzubauen.
Rückendeckung bekam die Koalition auch von der Industriegewerkschaft Metall. Deren Vorsitzende Christiane Benner forderte: „Diese richtigen Impulse müssen jetzt schnell spürbar werden – für Menschen wie Unternehmen.“
Wolfgang Große Entrup vom Verband der Chemischen Industrie sprach von einer „Richtungsentscheidung“ mit dem Potenzial, verlorenes Vertrauen der Unternehmen in den Standort Deutschland zurückzugewinnen. Auch der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, lobte das Paket als „erstes wichtiges Signal der neuen Bundesregierung“.
Doch es gibt auch Gegenwind. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm übte scharfe Kritik an Einzelmaßnahmen wie der Mütterrente oder den Agrardiesel-Subventionen. „Solche kostspieligen Wahlgeschenke können wir uns nicht leisten“, erklärte sie gegenüber der Funke Mediengruppe.
Das beschlossene Maßnahmenpapier umfasst mehr als 60 Punkte, von der Unternehmensentlastung über Infrastrukturinvestitionen bis zur Rentenreform. Doch Konkretes ist rar: Die Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie, die Pendlerpauschale und der Agrardiesel greifen frühestens 2026. Bis dahin bleibt die Umsetzung entscheidend – und die Geduld der Wirtschaft begrenzt.
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OZD-Kommentar
Die Wirtschaft atmet auf – vorerst. Denn was CDU, CSU und SPD in einer
Nacht- und Nebelrunde beschlossen haben, ist zwar klangvoll, aber nicht
zwingend wirksam. Bürokratieabbau, Abschreibungserleichterungen,
Steuerreformen – alles schon mal gehört. Nun sollen aus Versprechungen
endlich Taten werden.
Doch zwischen politischer Symbolik und ökonomischer Realität klafft ein gefährlicher Abgrund. Wenn Friedrich Merz Tempo predigt, aber konkrete Inkrafttreten-Daten auf 2026 vertagt werden, darf man zweifeln, ob dieses Sofortprogramm wirklich seinem Namen gerecht wird. Der Applaus der Wirtschaft ist freundlich – aber voller Vorbehalte.
Die Wahrheit ist: Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands steht auf dem Spiel. Steigende Energiepreise, lähmende Bürokratie, Steuerlast – all das schreit nicht nach Sonntagsreden, sondern nach entschlossenem Handeln. Die Kritik von Wirtschaftsweise Veronika Grimm zeigt: Wahlgeschenke wie die Mütterrente oder Agrardiesel-Subventionen bedienen Klientelpolitik – und keine Zukunftsstrategie.
Wenn die Bundesregierung Vertrauen aufbauen will, muss sie beweisen, dass sie mehr kann als Beruhigungspillen. Bis zur Sommerpause bleibt wenig Zeit. Die Wirtschaft zählt nicht auf Worte. Sie zählt auf Wirkung.
OZD-Analyse
1. Inhalt des Sofortprogramms
a) Maßnahmenübersicht:
– Sonderabschreibungen für Unternehmen.
– Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie (ab 1.1.2026).
– Erhöhung der Pendlerpauschale (ab 1.1.2026).
– Wiedereinführung der Agrardiesel-Rückvergütung.
– Bürokratieabbau und Reform des Lieferkettengesetzes.
b) Zeitliche Umsetzung:
– Viele Maßnahmen erst ab 2026.
– Nur wenige Sofortmaßnahmen für Sommer 2025 angekündigt.
– Konkrete Gesetzesentwürfe noch in Arbeit.
2. Reaktionen der Wirtschaftsakteure
a) Zustimmung:
– DIHK, BDI, VCI, IG Metall und Bauernverband begrüßen Richtung.
– Lob für Abbau von Bürokratie und steuerliche Entlastung.
b) Kritik:
– Wirtschaftsweise Grimm warnt vor "Wahlgeschenken".
– Skepsis bei konkreter Umsetzung und Wirkung.
3. Politischer Hintergrund
a) Union und SPD:
– Wollen mit "großer Rentenreform" punkten.
– Friedrich Merz und Lars Klingbeil setzen auf Wirtschaftsimpulse.
b) Wahlrecht und Sondervermögen:
– Pläne für 600 Milliarden Euro Infrastruktur- und Klimafonds.
– Wahlrechtsreform soll ebenfalls in Kommission beraten werden.
Was ist der Koalitionsausschuss?
Der Koalitionsausschuss
ist ein informelles Gremium innerhalb einer Regierungskoalition, in dem
die Parteispitzen politisch besonders bedeutsame Fragen klären. Er
besteht aus den Vorsitzenden und führenden Vertretern der
Koalitionsparteien – im aktuellen Fall CDU, CSU und SPD – sowie
Bundeskanzler Friedrich Merz. Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses
gelten als richtungsweisend für die politische Agenda der Regierung.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.