Es wäre ein wichtiger Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit: Reporter ohne Grenzen (RSF) setzt sich beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) dafür ein, dass palästinensische Medienschaffende, die Opfer israelischer Kriegsverbrechen in Gaza wurden, in möglichen Gerichtsverfahren gehört werden – offiziell als Opfer und nicht nur als Zeugen. Dazu hat RSF formelle Anträge beim IStGH eingereicht. In ihnen hat die Organisation detailliert das Schicksal der Betroffenen und das ihnen widerfahrene Unrecht dokumentiert.
„Die Journalistinnen und Journalisten in Gaza brauchen eine Perspektive auf Gerechtigkeit, wenigstens ein kleines Licht am Ende des Tunnels“, sagt RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Wir haben bereits vier Strafanzeigen beim Internationalen Strafgerichtshof eingereicht. Es ist jetzt von entscheidender Bedeutung, dass auch die Opfer selbst – die Journalistinnen und Journalisten – über die Gewalt aussagen können, die sie direkt und persönlich in Gaza erlitten haben. Es wäre ein neuer, wichtiger Schritt, um die Verantwortlichen für die Verbrechen an Medienschaffenden zur Rechenschaft zu ziehen. Bislang kommt die israelische Armee straflos davon.“
Der erste Antrag auf Beteiligung am Gerichtsverfahren als Opfer betrifft Adel und Ola al-Zaanoun. Adel ist Chefkorrespondent der Agence France-Presse (AFP) in Gaza, seine Frau Ola ist RSF-Korrespondentin in dem abgeriegelten Gebiet. Ihr gemeinsames Haus wurde bei einem israelischen Luftangriff am 11. April 2024 vollständig zerstört. Beide überlebten, verloren jedoch ihr gesamtes Hab und Gut. Mittlerweile mussten Adel und Ola al-Zaanoun den Gazastreifen verlassen.
Einen zweiten Antrag hat RSF für Diaa al-Kahlout gestellt, den Gaza-Büroleiter der Nachrichtenseite The New Arab. Al-Kahlout wurde über einen Monat lang willkürlich im israelischen Militärlager Sde Teiman festgehalten. Zuvor war er in seinem Haus in der Stadt Beit Lahia festgenommen worden. Nach eigenen Angaben wurde er misshandelt und gedemütigt.
Ein weiterer Antrag betrifft eine vierte Journalistin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte. Sie wurde durch Schüsse des israelischen Militärs getroffen und verletzt. Beim gleichen Angriff wurde ein Kollege getötet. Beide waren eindeutig als Medienschaffende zu erkennen. Die Reporterin wurde einige Monate später bei einem Angriff auf ihren Einsatzort ein zweites Mal verletzt.
Die Anträge auf Beteiligung am Gerichtsverfahren als Opfer wurden gemäß Artikel 68 des Römischen Statuts an Philipp Ambach, Leiter der Abteilung für Opfer und Zeugen in der Kanzlei des IStGH, übermittelt. In den vier Strafanzeigen vor dem IStGH hat RSF Kriegsverbrechen und gezielte Angriffe auf Medienschaffende in Gaza akribisch dokumentiert. Am 7. Januar 2024 teilte die Anklagebehörde des IStGH RSF mit, dass die gegen Journalistinnen und Journalisten begangenen Verbrechen in die Ermittlungen zur Lage in den Palästinensischen Gebieten einbezogen werden.
Seit Oktober 2023 haben israelische Streitkräfte laut RSF-Informationen fast 200 Journalistinnen und Journalisten in Gaza getötet, mindestens 44 davon im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Internationalen Medienschaffenden wird die Einreise in das blockierte palästinensische Gebiet noch immer verwehrt. Lokale Reporterinnen und Reporter mussten mit ansehen, wie ihre Häuser und Redaktionsräume durch israelische Luftangriffe zerstört wurden, und werden inmitten einer verheerenden humanitären Krise immer wieder vertrieben.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit stehen die Palästinensischen Gebiete auf Platz 163 von 180, Israel auf Platz 112.
Reporter ohne Grenzen e. V.
Foto: Reporter ohne Grenzen e. V.
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