Der Fall Harvey Weinstein ist längst mehr als ein Strafprozess – er ist ein Prüfstein für ein gesellschaftliches Umdenken. Mit dem Abschluss der Neuverhandlung steht nicht nur das Schicksal eines gefallenen Filmmoguls auf dem Spiel, sondern auch das Vertrauen in ein Justizsystem, das sexualisierte Gewalt ernst nimmt.
Dass das erste Urteil gegen Weinstein aufgehoben wurde, hat viele schockiert – vor allem, weil es nicht um Zweifel an den Aussagen der Frauen ging, sondern um formale Verfahrensfehler. Nun mussten Miriam Haley und Jessica Mann erneut durch die emotionale Belastung einer Aussage. Auch Kaja Sokola, die als Minderjährige missbraucht worden sein soll, trat in den Zeugenstand. Dass Weinstein selbst schwieg, aber dabei mit seinem Anwaltsteam scherzte, wirkte auf viele wie ein Zynismus, der schwer erträglich ist.
Die Jury steht jetzt vor einer gewaltigen Verantwortung: Sie entscheidet nicht nur über Schuld oder Unschuld, sondern auch darüber, ob die Stimmen der Überlebenden Gewicht behalten. Weinstein mag gebrechlich wirken, doch das Leid, das ihm vorgeworfen wird, ist real – und darf nicht unter bürokratischen Details begraben werden.
Ein gerechtes Urteil wäre nicht nur ein juristischer Schlusspunkt, sondern auch ein Signal: Die Zeiten, in denen Macht vor Konsequenzen schützte, sind vorbei. Zumindest sollten sie es sein.
OZD
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