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Zwischen Pflicht und Privileg – Der Streit um den Wehrdienst spaltet Israels Regierung

Die Schas-Partei droht mit dem Koalitionsbruch, sollte es keine Einigung beim Wehrdienst geben. Die Debatte um Ausnahmen für Ultraorthodoxe stellt die Regierung Netanjahu auf die Probe – und trifft einen Nerv im israelischen Gesellschaftsvertrag.

Die erneute Eskalation im Streit um den Wehrdienst für ultraorthodoxe Juden ist nicht bloß ein politisches Tauziehen um Koalitionsarithmetik – sie ist Ausdruck einer tieferliegenden gesellschaftlichen Krise. Die ultraorthodoxe Schas-Partei, die traditionell für die Beibehaltung der Wehrdienstbefreiung für strengreligiöse Männer eintritt, sieht sich als Hüterin eines religiösen Lebensmodells, in dem das Tora-Studium als Dienst an Gott höher gewertet wird als der Dienst an der Waffe.

Doch in einem Staat, dessen Sicherheit auf der Wehrpflicht basiert und der sich seit Oktober 2023 im intensiven militärischen Konflikt mit Hamas im Gazastreifen und der Hisbollah im Libanon befindet, wächst die Unzufriedenheit mit dieser ungleichen Lastenverteilung. Innerhalb von Netanjahus rechter Likud-Partei nimmt der Druck zu: Immer mehr Abgeordnete fordern, auch Ultraorthodoxe zum Dienst an der Waffe heranzuziehen – oder sie zumindest bei Verweigerung zu sanktionieren.

Die Zahl der jährlich vom Dienst befreiten Jeschiwa-Studenten ist mittlerweile auf Zehntausende angewachsen. Eine Ausnahme, die einst nur einige Hundert betraf, hat sich zu einem System mit politischer Rückendeckung und gesellschaftlicher Sprengkraft entwickelt. Frauen aus der ultraorthodoxen Gemeinschaft sind ohnehin automatisch vom Dienst ausgeschlossen – eine zusätzliche Schieflage im Namen der Tradition.

Nun stellt sich die Frage: Ist Israels Regierung bereit, für den Erhalt ihrer Koalition fundamentale Gleichheitsprinzipien preiszugeben? Oder wird sie – unter dem Druck der Öffentlichkeit und der Sicherheitslage – endlich Reformen anstoßen, die Wehrgerechtigkeit herstellen und das Prinzip der gemeinsamen Verantwortung aller Staatsbürger wiederherstellen?

Die Entscheidung wird nicht nur über den Fortbestand der Regierung Netanjahu entscheiden – sondern über das Selbstverständnis Israels als demokratischer, pluralistischer Staat.

Erklärung – Wer steht wofür?

Schas-Partei: ultraorthodoxe, sephardisch-orientierte Partei, die das religiöse Leben schützt und Wehrdienstbefreiungen für Jeschiwa-Studenten verteidigt.

Likud-Partei (Netanjahu): rechtskonservativ, regierungsführend, zunehmend unter Druck, ultraorthodoxe Privilegien einzuschränken.

Jeschiwa-Studenten: junge ultraorthodoxe Männer im religiösen Vollzeitstudium, bislang vom Wehrdienst befreit.

Israelische Armee (IDF): Wehrpflichtarmee, deren Belastung durch langanhaltende Konflikte


OZD



Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP