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Neues Finanzierungsmodell: Rettung für die Hausarztversorgung – oder mehr Bürokratie?

Ab 2026 gilt ein neues Vergütungsmodell für Hausärzte. Doch bringt es wirklich bessere Versorgung – oder nur mehr Druck auf ohnehin überlastete Praxen?

Hausärzte sollen ab Januar 2026 nach einem neuen System bezahlt werden: Die bisherige Strukturpauschale wird durch eine Vorhaltepauschale ersetzt. Bislang bekamen Praxen jährlich rund drei Milliarden Euro dafür, dass sie überhaupt Patienten versorgen – ohne weitere Bedingungen.
Künftig sollen Zahlungen an konkrete Leistungen gekoppelt sein: Haus- und Heimbesuche, Impfungen, Ultraschalluntersuchungen, Videosprechstunden sowie mehr Terminangebote am Mittwochnachmittag und vor allem am Freitagnachmittag. Je mehr dieser Kriterien eine Praxis erfüllt, desto mehr Geld gibt es.

Erklärung
Die Idee klingt nachvollziehbar: Patientinnen und Patienten sollen profitieren, wenn Praxen länger geöffnet haben, Hausbesuche machen oder Pflegeheimbewohner besser versorgen. „Mehr Patientenorientierung“ nennt es der GKV-Spitzenverband.
Doch schon jetzt ist unklar, wie viele Hausarztpraxen ihre Strukturen wirklich anpassen können. Viele Ärztinnen und Ärzte klagen über Überlastung, Nachwuchsmangel und steigende Bürokratie. Bedeutet „mehr Leistungen“ in der Praxis am Ende nicht auch: noch mehr Druck auf weniger Köpfe?

Deutung
Das neue Modell könnte in der Praxis zwei Gesichter haben. Im besten Fall sorgt es für mehr Flexibilität und verbessert den Zugang zu Hausärzten – gerade am Freitagnachmittag, wenn viele Patienten bisher vor geschlossenen Türen stehen. Im schlimmsten Fall aber führt es dazu, dass Praxen unter bürokratischem Zwang Leistungen anbieten müssen, die sie personell gar nicht leisten können. Die Frage drängt sich auf: Geht es hier wirklich um bessere Versorgung – oder nur um ein Finanzierungsinstrument mit Kontrollcharakter?

Bewertung 
Kann man Hausärzte durch finanzielle Anreize tatsächlich dazu bringen, mehr Zeit und Energie in ohnehin volle Wochen zu investieren? Oder gefährdet das neue System am Ende die Motivation und schreckt junge Ärztinnen und Ärzte ab, überhaupt noch eine Praxis zu eröffnen?
Wie viele Praxen werden Hausbesuche tatsächlich häufiger anbieten können, wenn gleichzeitig die Zahl der Mediziner auf dem Land sinkt?
Und: Droht durch das ständige Abhaken von Kriterien eine Entwertung des eigentlichen Kerns hausärztlicher Arbeit – nämlich individuelle medizinische Betreuung statt Checklistenmedizin?

Sicher ist nur: Das neue Modell setzt ein Signal. Doch ob es wirklich eine Lösung ist oder nur eine weitere Belastung für das Fundament des deutschen Gesundheitswesens, bleibt eine offene Frage.


OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP