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Belarus lässt Oppositionelle frei – politisches Signal oder Deal auf Kosten von Prinzipien?

Belarus entlässt Nobelpreisträger Bjaljazki und Oppositionelle wie Kolesnikowa. Nach Lockerung von US-Sanktionen wächst Kritik an politischem Tauschhandel.

Die Freilassung prominenter politischer Gefangener in Belarus sorgt international für Erleichterung – wirft zugleich aber unbequeme Fragen auf. Unter den insgesamt 123 begnadigten Häftlingen befinden sich der Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki, die Oppositionspolitikerin Maria Kolesnikowa sowie weitere bekannte Regimekritiker wie Viktor Babariko. Staatschef Alexander Lukaschenko hatte die Begnadigungen am Samstag verkünden lassen.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Wjasna wurden die meisten der Freigelassenen außer Landes gebracht, viele in die Ukraine, andere nach Litauen. Auch fünf Ukrainer seien darunter, bestätigte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Internationale Organisationen begrüßten den Schritt, mahnten jedoch zugleich die Freilassung aller politischen Gefangenen an.

Doch die zeitliche Abfolge ist auffällig. Den Freilassungen ging eine Lockerung von US-Wirtschaftssanktionen gegen Belarus voraus, insbesondere im Bereich der Kalium-Exporte – einem zentralen Wirtschaftszweig des Landes. Vermittelt wurden die Schritte durch die USA, deren Gesandter John Coale kurz zuvor in Minsk Gespräche geführt hatte.

Das wirft eine heikle Frage auf: Handelt es sich um einen humanitären Durchbruch – oder um eine politische Transaktion, bei der Freiheitsrechte gegen wirtschaftliche Zugeständnisse aufgerechnet werden? Kritiker warnen davor, dass autoritäre Regime lernen könnten, politische Gefangene als Verhandlungsmasse einzusetzen.

Besonders symbolträchtig ist die Freilassung von Ales Bjaljazki. Der Gründer der Menschenrechtsorganisation Wjasna saß über vier Jahre in Haft und war 2023 zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seine Auszeichnung mit dem Friedensnobelpreis 2022 hatte international Entsetzen über seine Inhaftierung ausgelöst. Auch Maria Kolesnikowa, eines der bekanntesten Gesichter der Proteste von 2020, galt lange als besonders gefährdet. Monatelang fehlte jedes Lebenszeichen von ihr.

Die USA hatten bereits in den vergangenen Monaten auf Freilassungen hingewirkt und im Gegenzug Sanktionen teilweise gelockert. Beobachter sehen darin eine neue Form pragmatischer Außenpolitik, die auf schnelle Ergebnisse setzt – allerdings um den Preis klarer Prinzipien.

Zudem bleibt offen, wie nachhaltig dieser Kurs ist. Lukaschenko sitzt weiter fest im Sattel, politische Repressionen dauern an, hunderte Oppositionelle bleiben in Haft. Die Nähe des belarussischen Machthabers zu Russlands Präsident Wladimir Putin spielt dabei eine zentrale Rolle – auch im geopolitischen Kalkül Washingtons mit Blick auf den Ukraine-Krieg.

Die Freilassungen sind ohne Zweifel ein Lichtblick für die Betroffenen und ihre Familien. Doch solange Freiheit zur Verhandlungsmasse wird und nicht zum unveräußerlichen Recht, bleibt ein bitterer Beigeschmack. Die internationale Gemeinschaft steht vor der Frage, ob kurzfristige Erfolge langfristig den Preis einer schleichenden Normalisierung von Repression rechtfertigen.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP