Der 76-jährige Schauspieler Gérard Depardieu ist in Paris wegen sexueller Übergriffe auf zwei Frauen zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Es ist das erste Urteil gegen den langjährigen Filmstar, der seit Jahren im Zentrum zahlreicher MeToo-Vorwürfe steht. Insgesamt beschuldigen ihn rund 20 Frauen, Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung begangen zu haben. Die Justiz verurteilte ihn nun auch zur psychologischen Behandlung und zur Registrierung als Sexualstraftäter.
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„Ich habe eine Achterbahn der Gefühle durchlebt“, sagte eine der Klägerinnen, eine 54-jährige Bühnenbildnerin, erleichtert nach der Urteilsverkündung. Der Richter kritisierte deutlich die aggressive Verteidigungsstrategie Depardieus: Diese habe die Frauen „ein zweites Mal zu Opfern gemacht“.
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Die beiden betroffenen Frauen hatten geschildert, wie Depardieu sie bei Dreharbeiten im Jahr 2021 ohne Einwilligung berührte – unter anderem an Brust und Gesäß. Depardieu wies die Vorwürfe im Prozess zurück, gab aber den Gebrauch vulgärer Sprache zu. Die Verteidigung verfolgte einen konfrontativen Kurs: Sein Anwalt Jérémie Assous beschimpfte die Frauen vor Gericht als „hysterisch“ und „Lügnerinnen“. „Geht doch heulen“, schleuderte er ihnen entgegen.
Fast 200 Anwälte verurteilten dieses Verhalten in einem offenen Brief – und forderten die Justiz auf, endlich entschiedener gegen Sexismus in Gerichtssälen vorzugehen. Der Vorsitzende Richter bezog in seiner Urteilsbegründung ungewöhnlich klar Stellung: Die Verteidigung habe mit ihrer Wortwahl zur Retraumatisierung beigetragen. Die Klägerinnen erhielten jeweils 1000 Euro Schmerzensgeld zusätzlich zur Entschädigung für die Übergriffe.
Trotz des Urteils zeigt Depardieu weiterhin keine Einsicht. Er blieb der Urteilsverkündung fern. Sein Anwalt kündigte sofort Berufung an – und stellte das Urteil öffentlich in Frage: „Sobald man heutzutage wegen sexueller Gewalt angeklagt wird, ist man automatisch verurteilt.“ Diese Aussage wirft Fragen über das Rollenverständnis prominenter Angeklagter auf – und die Risiken, die Betroffene auf sich nehmen müssen, um überhaupt vor Gericht gehört zu werden.
Kommentar:
Das Urteil gegen Depardieu ist ein Signal – doch kein starkes. Eine Bewährungsstrafe, obwohl das Gericht die Schwere der Vorwürfe und die fehlende Reue betont, wirkt wie ein Kompromiss. Dass Opfer im Gerichtssaal beleidigt werden dürfen, ohne dass das Verfahren unterbrochen oder die Verteidigung in die Schranken gewiesen wird, zeigt, wie weit der Weg zu einer sensiblen, gerechten Aufarbeitung sexueller Gewalt noch ist – gerade bei prominenten Angeklagten.
OZD
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Bild: AFP