Der diesjährige Eurovision Song Contest (ESC) in Basel ist nicht nur ein musikalisches Großereignis – er ist auch ein Fest der Sprachenvielfalt. Wie die europäische Rundfunkunion EBU mitteilt, treten die 37 teilnehmenden Länder mit Liedern in insgesamt 20 verschiedenen Sprachen an – so viele wie nie zuvor seit der Lockerung der Sprachregelung im Jahr 1999.
Während Englisch weiterhin die am meisten gesungene Sprache bleibt, ist seine einstige Dominanz deutlich zurückgegangen. Immer mehr Künstler setzen bewusst auf ihre Muttersprache – und sorgen damit nicht nur für kulturelle Authentizität, sondern auch für emotionale Tiefe. So präsentiert etwa das deutsche Duo Abor & Tynna seinen Beitrag „Baller“ komplett auf Deutsch – der erste deutschsprachige Beitrag seit Roger Ciceros „Frauen regier’n die Welt“ im Jahr 2007. Auch wenn Deutschland dieses Jahr als Gastgeber außer Konkurrenz auftritt, sorgt der Song für Aufmerksamkeit.
Doch nicht nur Deutsch ist auf der Bühne vertreten. Zu hören sind Beiträge auf Albanisch, Armenisch, Hebräisch, Isländisch, Lettisch und Ukrainisch. Auch klassische ESC-Sprachen wie Italienisch und Französisch finden sich mehrfach. Besonders kreativ zeigt sich Finnlands Beitrag von Erika Vikman – ihr Titel „Ich komme“ ist zwar deutsch betitelt, wird aber auf Finnisch gesungen.
Die EBU sieht im Trend zur Muttersprache weit mehr als ein stilistisches Stilmittel. Das Singen in der eigenen Sprache sei nicht nur ein Zeichen kultureller Identität, sondern könne beim Publikum eine einzigartige emotionale Resonanz auslösen – ein wichtiger Faktor in einem Wettbewerb, bei dem neben musikalischem Können auch das Gefühl zählt.
OZD
OZD-Kommentar
Dieser Eurovision Song Contest ist ein politisches und kulturelles
Signal: In einer Zeit, in der die Welt oft nach Einheit sucht, zeigt
Europa, dass Vielfalt keine Schwäche ist, sondern Stärke. Dass 20
verschiedene Sprachen auf der Bühne erklingen, ist ein Aufbruch aus der
Komfortzone des Englischen – und ein Bekenntnis zur eigenen Herkunft.
Der Trend, wieder mehr in der Muttersprache zu singen, ist ein kleiner Triumph für kulturelle Identität. Denn Sprache ist mehr als Kommunikation – sie ist Gefühl, Klang, Rhythmus. Wenn ein Lied auf Ukrainisch, Hebräisch oder Lettisch gesungen wird, ist das nicht weniger verständlich – es ist ehrlicher.
Der ESC war oft eine Plattform für politisch und kulturell aufgeladene Botschaften. Jetzt ist es die Sprache selbst, die zum Zeichen wird. Wer in seiner Muttersprache singt, sagt: Ich bin da, so wie ich bin – nicht angepasst, nicht gefiltert. Und das ist in einem Wettbewerb der Superlative vielleicht das stärkste Statement von allen.
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OZD-Analyse
1. Der sprachliche Rekord
a) 20 Sprachen bei 37 Nationen – ein historischer Höchststand seit 1999
– 1999 fiel die Regelung, nur in der eigenen Landessprache zu singen
– seither dominierte Englisch – nun Rückkehr zur sprachlichen Diversität
b) Symbolik für kulturelle Selbstbehauptung
– Sprache als Identitätsmerkmal
– Rückbesinnung auf Ursprünge und Eigenständigkeit der Länder
2. Auffällige Beiträge 2025
a) Deutschland:
– „Baller“ von Abor & Tynna – erstes deutschsprachiges Lied seit 2007
– Auftritt außer Konkurrenz als Gastgeber
b) Finnland:
– Titel auf Deutsch: „Ich komme“, Text jedoch in Finnisch
c) Weitere Sprachen:
– Albanisch, Armenisch, Isländisch, Lettisch, Ukrainisch
– Italienisch und Französisch mehrfach vertreten
3. Der kulturelle Kontext
a) Die Rolle der EBU:
– Förderung von Vielfalt, Identität und Emotionalität
– Abstand von rein kommerziellen Pop-Normen
b) Publikum und Botschaft:
– Emotionaler Zugang durch Muttersprache
– Vielfalt als Brücke – nicht als Hindernis
Was ist der ESC?
Der Eurovision Song Contest (ESC) ist der größte Musikwettbewerb der Welt. Er findet jährlich unter Aufsicht der European Broadcasting Union (EBU)
statt und wird von rund 200 Millionen Menschen verfolgt. Seit 1956
treten europäische – und mittlerweile auch außereuropäische – Länder mit
Liedern gegeneinander an. Die Wahl der Sprache ist seit 1999
freigestellt.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.