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Von der Leyen erhöht Druck: Ölpreisdeckel auf 45 Dollar und Nordstream ist für immer tabu

Mit einer deutlichen Senkung des Ölpreisdeckels auf 45 Dollar will die EU-Kommission Russland wirtschaftlich weiter schwächen. Auch Nordstream-Transaktionen sollen dauerhaft verboten bleiben.

Kurz vor dem G7-Gipfel in Kanada hat die Europäische Kommission ein neues und schärferes Sanktionspaket gegen Russland vorgestellt. Zentraler Bestandteil: eine Absenkung des bestehenden Ölpreisdeckels von derzeit 60 auf künftig 45 Dollar pro Barrel für russisches Rohöl. "Stärke ist die einzige Sprache, die Russland verstehen wird", erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag in Brüssel. Ziel sei es, Russlands Einnahmen aus Energieexporten weiter zu dezimieren.

Der Ölpreisdeckel wurde ursprünglich im Dezember 2022 von der EU, den G7-Staaten und Australien beschlossen. Seither hat sich der Weltmarktpreis dem Deckel immer stärker angenähert. Brüssel will mit der Korrektur auf 45 Dollar nun verhindern, dass Russland trotz Sanktionen weiterhin hohe Gewinne erzielt. Von der Leyen äußerte sich zuversichtlich, dass die G7-Staaten beim Gipfel in Alberta kommende Woche zustimmen werden. Ohne US-Beteiligung wäre der Schritt jedoch weitgehend wirkungslos.

Ein weiterer symbolischer und praktischer Schritt: Die EU will jede Reaktivierung der beschädigten Nordstream-Pipelines endgültig ausschließen. Mit einem sogenannten Transaktionsverbot sollen sämtliche wirtschaftliche Aktivitäten im Zusammenhang mit Nordstream I und II untersagt werden. "Es gibt keine Rückkehr zur Vergangenheit", sagte von der Leyen – ein deutlicher Seitenhieb auf CDU-Politiker Thomas Bareiß, der im März eine Wiederinbetriebnahme ins Spiel gebracht hatte.

Flankierend sollen laut von der Leyen 77 Schiffe aus der sogenannten russischen Schattenflotte sanktioniert werden. Damit stiege die Zahl der betroffenen Tanker auf mehr als 400. Diese Schiffe sind für die Umgehung des westlichen Öl-Embargos durch Russland entscheidend. Ergänzt wird das Paket durch ein Sanktionsregister mit 22 weiteren russischen Banken sowie neuen Exportverboten auf Maschinen, Chemikalien und Dual-Use-Güter, die etwa für Drohnen und Raketen verwendet werden könnten.

Auch Unternehmen aus China und Belarus geraten ins Visier: 22 Firmen, die laut EU an der militärischen Aufrüstung Russlands beteiligt sind, sollen künftig keine EU-Güter mehr erhalten dürfen.

Die neuen Sanktionen zielen darauf ab, den Druck auf Russlands Präsident Wladimir Putin weiter zu erhöhen. Nach Angaben aus Brüssel sollen sie ihn zu ernsthaften Verhandlungen über eine Waffenruhe in der Ukraine zwingen. Erst im Mai hatte die EU ihr 17. Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. In den USA wird unterdessen ein umfassendes Sanktionsgesetz vorbereitet, das nicht nur Russland, sondern auch Drittstaaten wie Indien oder China treffen könnte, sofern sie weiterhin russisches Öl importieren. OZD / ©AFP.


OZD-Kommentar:
Die EU zieht endlich an – aber ist das genug? 45 Dollar pro Barrel ist ein Einschnitt, ja. Aber es bleibt fraglich, ob dieser Schritt allein Putin ernsthaft unter Druck setzt. Die russische Schattenflotte hat längst globale Umgehungsrouten etabliert, von Singapur bis Kap Verde. Solange Indien und China weiter billig kaufen, bleiben Moskaus Kassen gefüllt.

Und das Verbot jeglicher Transaktionen rund um Nordstream? Ein symbolischer Akt – nicht mehr. Die Pipelines sind sabotiert, das Vertrauen zerstört. Wer sie jetzt noch reparieren will, ignoriert nicht nur den Krieg, sondern auch die geopolitische Realität.

Was fehlt? Ein konsequenter Ausschluss Russlands aus globalen Finanzsystemen, eine globale Koalition, die Ölimporte aus Russland wirklich stoppt – und politische Führung, die keine Ausnahmen mehr zulässt. Von der Leyen hat geliefert, aber jetzt muss auch der Rest der Welt mitziehen. Sonst bleibt auch dieses Paket ein Signal ohne Wirkung.



OZD-Analyse

1. Absenkung des Ölpreisdeckels auf 45 Dollar
a) Ziel – Einnahmereduzierung Russlands durch niedrigeren Verkaufspreis an Drittländer
– Marktangleichung notwendig, da der Deckel bislang wenig Wirkung zeigte
b) G7-Abhängigkeit – Ohne Einigung mit den G7-Staaten bleibt der Effekt begrenzt
– USA als Schlüsselakteur für globale Durchsetzung
c) Wirkungspotenzial – Kurzfristig begrenzt, langfristig bei globaler Anwendung wirksam

2. Blockade der Nordstream-Pipelines
a) Hintergrund – Nach Sabotage der Leitungen bleibt unklar, ob technische Reaktivierung überhaupt möglich ist
– Politisch höchst umstrittene Debatte in Deutschland seit Vorschlag von Thomas Bareiß
b) EU-Position – Kommissionspräsidentin will endgültig jeden Rückweg versperren
– Transaktionsverbot als rechtlicher Riegel für Beteiligung von EU-Firmen
c) Signalwirkung – Bruch mit energiepolitischer Vergangenheit und Abkehr von russischem Gas

3. Sanktionen gegen Schattenflotte und Technologieexporte
a) Schattenflotte – 77 neue Schiffe betroffen, über 400 insgesamt
– Fokus auf Versicherungen, Reedereien und Hafenrechte
b) Technologie – Ausweitung auf Maschinen, Dual-Use-Güter, Chemikalien
– Ziel: Schwächung der russischen Drohnen- und Raketenproduktion
c) Drittstaaten im Fokus – Unternehmen aus Belarus und China betroffen
– Neue Dimension durch Ausweitung auf Nicht-Kriegsteilnehmer

4. Internationale Dynamik und G7-Rolle
a) G7-Gipfel – Ort der finalen Entscheidung für Preisdeckel-Absenkung
– Notwendig für Wirksamkeit außerhalb der EU
b) USA – Druck auf Biden-Regierung, trotz Wahlkampf entschlossen zu handeln
– Gesetzesinitiative im US-Senat setzt zusätzliche Hebel an
c) Drittstaaten – Indien, China, Türkei spielen zentrale Rolle bei Umgehung



Institutionserklärung

Was ist die russische Schattenflotte?
Als „russische Schattenflotte“ wird eine intransparente Flotte meist älterer Öltanker bezeichnet, mit der Russland seit den westlichen Sanktionen 2022 Rohöl in Drittstaaten exportiert – unter Umgehung von Preisdeckeln, Versicherungsauflagen und Transparenzregeln. Diese Tanker fahren unter fremder Flagge, wechseln regelmäßig ihren Namen und Ortungssignale, um Rückverfolgung zu verhindern. Schätzungen gehen von mehreren hundert Schiffen aus. Die EU versucht, durch gezielte Sanktionen gegen Schiffe, Reedereien und Versicherer die Wirksamkeit des Öl-Embargos zu verbessern.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.