Zum Inhalt springen
OZD.news - News und Nachrichten zum Nachschlagen
QR-Code zu www.online-zeitung-deutschland.de

Mindestlohn-Debatte: Zwischen sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Belastung

Wirtschaftsverbände warnen vor den Folgen einer zu starken Mindestlohnerhöhung – Gewerkschaften halten dagegen. Die Entscheidung der Mindestlohnkommission wird zum Lackmustest für Gerechtigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zugleich.

Mehrere Branchenverbände, darunter Bauwirtschaft, Handel und Logistik, warnen eindringlich vor einer deutlichen Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns. Eine „sprunghafte“ Anhebung gefährde nach Ansicht der Bundesvereinigung Bauwirtschaft die Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Der Handelsverband Deutschland (HDE) warnt vor möglichen Entlassungen und nennt „fatale Konsequenzen“ als mögliche Folge.

Die Logistikbranche verweist auf eine anhaltende Rezession und fehlende Spielräume zur Kostenkompensation. Der Mindestlohn sei in den letzten Jahren bereits schneller gestiegen als viele Tariflöhne. Als politischer Zankapfel gilt die geforderte Anhebung auf 15 Euro – ein Vorstoß der Gewerkschaften, gestützt durch Studien etwa der Hans-Böckler-Stiftung.

Entscheiden wird die Mindestlohnkommission bis Ende Juni – möglicherweise unter politischem Druck: Die SPD schließt ein gesetzliches Eingreifen nicht aus, während die Union auf die Unabhängigkeit des Gremiums pocht.

Stellungnahme:

Die Angst der Wirtschaft vor höheren Löhnen ist alt – doch sie ist in einem Land mit wachsender Armut, Inflation und stagnierenden Reallöhnen nicht allein ausschlaggebend. Die Warnungen der Verbände klingen ernst – doch auch ein Stück routiniert. Was hier als drohender Kollaps skizziert wird, ist oft auch Teil einer Verhandlungstaktik.

15 Euro Mindestlohn sind keine revolutionäre Forderung. Sie folgen dem Prinzip, dass Arbeit vor Armut schützen soll – eine Grundvoraussetzung jeder funktionierenden Marktwirtschaft. Dass Löhne unterhalb von 13 Euro für Millionen Menschen zur Realität geworden sind, ist das eigentliche Alarmsignal. Denn auch Unternehmer profitieren am Ende von einer Kaufkraft, die nicht dauerhaft durch Sozialleistungen gestützt werden muss.

Natürlich darf ein Mindestlohn nicht ruinös sein – aber er darf auch nicht absurd niedrig bleiben, nur weil sich ein Geschäftsmodell allein auf Lohndumping stützt. Der Verweis auf Tarifverträge ist wichtig, doch viele Branchen – vor allem der Einzelhandel – sind von tariflicher Bindung längst abgekoppelt.

Ausblick:

Die Mindestlohnkommission steht unter Spannung – ökonomisch wie politisch. Ihre Entscheidung wird über mehr als nur Centbeträge entscheiden: Sie ist ein Symbol für das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital im Deutschland der 2020er.

Fällt die Anhebung zu niedrig aus, könnte die Regierung gezwungen sein, einzugreifen – mit allen Risiken für das Vertrauen in die Institutionen. Fällt sie zu hoch aus, droht Widerstand der Wirtschaft. Doch klar ist: Ein Mindestlohn, der die Lebensrealität der unteren Einkommensgruppen ignoriert, ist weder gerecht noch stabilitätsfördernd.

Die Zeit der symbolischen Lohnpolitik ist vorbei. Die Frage ist nicht, ob wir es uns leisten können, Arbeit anständig zu entlohnen – sondern ob wir es uns leisten können, es nicht zu tun.

OZD



Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: AFP