Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die stärkste Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns seit seiner Einführung beschlossen. Der Satz steigt in zwei Schritten: zum Jahreswechsel zunächst von derzeit 12,82 Euro auf 13,90 Euro und zum 1. Januar 2027 weiter auf 14,60 Euro – ein Plus von insgesamt 13,9 Prozent. Laut Bundesarbeitsministerium profitieren davon rund sechs Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Bundesregierung setzt damit eine Empfehlung der unabhängigen Mindestlohnkommission um, die die Anhebung im Juni einstimmig beschlossen hatte.
Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sprach von einem „wichtigen Schritt für mehr Gerechtigkeit und Anerkennung derer, die unser Land Tag für Tag am Laufen halten“. Unternehmen könnten die höheren Kosten über zwei Jahre verteilt schultern. Auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf zeigte sich zufrieden und lobte die Entscheidung als „deutliche Erhöhung trotz immer gleicher Widerstände“. Die SPD werde weiter für bessere Löhne kämpfen, betonte er.
Die Mindestlohnkommission setzt sich aus Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Wissenschaft zusammen. Alle zwei Jahre legt sie einen Vorschlag zur Anpassung vor, den die Regierung durch Rechtsverordnung umsetzen kann. Kommissionschefin Christiane Schönefeld mahnte allerdings bereits im Juni, politische Einflussnahme auf das Gremium sei mit seiner Unabhängigkeit „nicht vereinbar“.
Trotz des nun beschlossenen Sprungs bleibt die Debatte um die 15-Euro-Marke lebendig. In der SPD fordern einige Stimmen, notfalls auch ohne die Kommission einen solchen Satz per politischer Entscheidung durchzusetzen – was den Grundsatz der Sozialpartnerschaft infrage stellen würde.
OZD
OZD-Kommentar:
Diese Entscheidung ist ein Signal – aber kein Befreiungsschlag. Der Mindestlohn steigt, doch viele Beschäftigte kämpfen weiter mit steigenden Lebenshaltungskosten, Mieten und Energiepreisen. Die SPD feiert sich als Anwältin der kleinen Einkommen, doch die 15-Euro-Debatte zeigt: Selbst die Koalition glaubt offenbar nicht mehr an die Kraft der Kommission. Wenn die Politik beginnt, die Tarifautonomie auszuhöhlen, ist das kein Fortschritt, sondern ein gefährliches Spiel mit der Glaubwürdigkeit des Sozialstaats.
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Mini-Infobox:
– Anhebung in zwei Stufen: 13,90 Euro ab 2026, 14,60 Euro ab 2027
– Rund 6 Millionen Beschäftigte profitieren
– Beschluss folgt einstimmiger Empfehlung der Mindestlohnkommission
– Erstmals fast 14 Prozent Steigerung seit Einführung
– SPD-Ziel von 15 Euro bleibt umstritten
OZD-Analyse
Hintergrund der Entscheidung
– Die Mindestlohnkommission hatte im Juni eine deutliche Anhebung vorgeschlagen.
– Ziel ist es, die Kaufkraft in Zeiten hoher Inflation zu stabilisieren.
– Die Bundesregierung setzt die Empfehlung in vollem Umfang um.
Politische Dimension
a) Die SPD nutzt die Erhöhung, um sich sozialpolitisch zu profilieren.
– Der Mindestlohn ist ein Kernstück ihrer Gerechtigkeitsagenda.
– Gleichzeitig steht die Partei unter Druck, die 15-Euro-Forderung umzusetzen.
b) Die Union mahnt zur Zurückhaltung.
– Sie warnt vor Eingriffen in die Unabhängigkeit der Kommission.
– Wirtschaftsvertreter fürchten steigende Lohnnebenkosten.
Ausblick auf die Lohnentwicklung
– Sollte die Inflation niedrig bleiben, könnte der reale Zuwachs deutlich spürbar werden.
– Gewerkschaften sehen die Entscheidung als Einstieg in eine neue Lohnpolitik.
– Die Frage, ob 15 Euro politisch durchgesetzt werden, bleibt offen.

Wer ist Bärbel Bas?
Bärbel Bas ist seit 2021 Bundesministerin für Arbeit und Soziales und Mitglied der SPD. Zuvor war sie Bundestagspräsidentin und gilt als pragmatische Sozialpolitikerin mit starkem Bezug zur Gewerkschaftsbewegung. Ihre Karriere begann sie im Gesundheitswesen, bevor sie in die Bundespolitik wechselte.
Was ist die Mindestlohnkommission?
Die Mindestlohnkommission ist ein unabhängiges Gremium, das alle zwei Jahre Empfehlungen zur Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns abgibt. Sie besteht aus Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und der Wissenschaft. Ihre Entscheidungen sollen den Ausgleich zwischen sozialer Gerechtigkeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit sichern.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

OZD-Extras
Wussten Sie schon? Der gesetzliche Mindestlohn wurde 2015 eingeführt – damals lag er bei 8,50 Euro. Seitdem ist er um mehr als 70 Prozent gestiegen.