Vor dem Beginn des G7-Gipfels im kanadischen Kananaskis hat sich Bundeskanzler Friedrich Merz über die Agenda des ersten Tages geäußert. Bereits am Vorabend hätten "sehr gute einführende Gespräche" mit den Vertretern aus der Europäischen Union und Großbritannien stattgefunden. "Ich kann heute davon ausgehen, dass Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland in den wesentlichen Fragen dieses G7-Gipfels eine weitgehend übereinstimmende Auffassung vertreten werden", so Kanzler Merz.
Ein "Gipfeltreffen zur wirtschaftspolitischen Lage der Welt" – so beschrieb Kanzler Merz den Charakter der G7-Gipfel in seinem Pressestatement am ersten offiziellen Tag der Zusammenkunft. Zu Beginn der Beratungen stünden daher auch die Lage der Weltwirtschaft und die Beschaffung von Rohstoffen im Mittelpunkt. Zudem werde es im Laufe des Gipfels auch um die Auswirkungen der Konflikte im Mittleren Osten und des Kriegs in der Ukraine gehen.
Sehen Sie hier das Statement des Kanzlers:
Bundeskanzler Friedrich Merz
Guten Morgen, meine Damen und Herren! Wir haben gestern Abend informell mit den Beratungen begonnen. Der offizielle G7-Gipfel wird ja erst heute und dann mit acht Stunden Zeitverschiebung zu Deutschland beginnen. Insofern sind wir ganz am Anfang. Aber ich kann Ihnen berichten, dass wir gestern Abend sehr gute einführende Gespräche mit den Vertretern aus Europa, nicht nur aus der Europäischen Union, sondern auch zusammen mit Großbritannien, geführt und eine enge Abstimmung vorgenommen haben. Ich kann heute davon ausgehen, dass Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland in den wesentlichen Fragen dieses G7-Gipfels eine weitgehend übereinstimmende Auffassung vertreten werden. Insofern war gestern eine gute Gelegenheit, die vorbereitenden Gespräche zu führen.
Wir werden heute mit der allgemeinen Lage der Weltwirtschaft beginnen. Dazu werden in der ersten Arbeitseinheit der amerikanische Präsident und ich kurz einführen. Dann wird es eine etwa anderthalbstündige Diskussion zu diesen Themen geben. Im Anschluss daran werden wir uns in der zweiten Arbeitssitzung über Rohstoffe, die Beschaffung von Rohstoffen und die sehr stark gewordene Abhängigkeit von Rohstofflieferungen unterhalten.
Im Laufe des Tages und auch des morgigen Tages wird natürlich eine Rolle spielen, wie starke Auswirkungen auf die Weltwirtschaft die Konflikte im Mittleren Osten und auch der Krieg in der Ukraine haben. Zur Erinnerung: Der Gipfel der früher G6, zwischendurch der G7 und der G8 und jetzt wieder der G7 ist immer auch ein Gipfeltreffen zur wirtschaftspolitischen Lage der Welt gewesen. Insofern bin ich sehr dankbar dafür, dass dieses Thema auch heute im Vordergrund stehen wird. Aber natürlich werden auch andere Themen sehr intensiv behandelt werden.
Lesen Sie hier die Fragerunde im Anschluss:
Frage: Herr Bundeskanzler, ich möchte zum Thema von Israel und Iran fragen. Erwarten Sie, dass man sich hier auf eine gemeinsame Erklärung einigen kann? Befürchten Sie, dass die Amerikaner in diesen Krieg mit hineingezogen werden oder sich engagieren? Was sagen Sie zu dem Angebot des russischen Präsidenten, zwischen Israel und Iran zu vermitteln? Ist das ernst zu nehmen oder eine Show?
Bundeskanzler Merz: Wir werden natürlich über den Konflikt zwischen Israel und Iran sprechen. Es gibt erste Vorstellungen dazu ‑ sie sind aber noch nicht verabschiedet ‑, über die wir dann reden werden. Ich kann für die europäische Seite so viel sagen: Wir werden einen Vorschlag machen, ein Abschlusskommuniqué zu diesem Thema zu verfassen, in dem wir noch einmal betonen, dass Iran unter keinen Umständen in den Besitz atomwaffenfähigen Materials kommen darf. Wir werden das Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel betonen. Wir werden uns möglicherweise auch über weitere Schritte unterhalten, wie man zu einer diplomatischen Lösung kommen kann. Ich sehe persönlich nicht, dass der russische Staatspräsident in diesem Konflikt eine vermittelnde Rolle spielen könnte. Es wäre gut, wenn Russland seinen Krieg in der Ukraine beendet. Ich werde nicht müde darauf hinzuweisen, dass es ausschließlich und allein in der Hand der russischen Staatsführung liegt, diesen Krieg zu beenden. Wenn Putin diesen Krieg beendet, dann hat er an dem Schauplatz der Welt, der uns zurzeit mit am meisten beschwert, das Notwendige und das Richtige getan. Ich würde das sehr begrüßen.
Die Vereinigten Staaten von Amerika haben sehr klar zu erkennen gegeben, dass sie an diesem Konflikt nicht beteiligt werden wollen. In dem Augenblick allerdings, wenn amerikanische Militärbasen oder wichtige Handelswege durch den Iran oder Proxys des Iran betroffen sein sollten, würden die Amerikaner ziemlich sicher auch eingreifen. Aber der Punkt ist noch nicht erreicht.
Frage: Herr Bundeskanzler, glauben Sie, dass Sie den US-Präsidenten bei dem Gipfel dazu bringen können, über neue Sanktionen mehr Druck auf Russland auszuüben? Wird bei dem Thema auch das eingefrorene russische Vermögen eine Rolle spielen? Sehen Sie eine Chance, vielleicht in einem bilateralen Gespräch mit Donald Trump, beim Thema Zölle weiterzukommen?
Bundeskanzler Merz: Das Thema mit diesen sogenannten „frozen assets“ hat beim letzten G7-Gipfel eine Rolle gespielt; dazu hat es eine Erklärung gegeben. Darüber hinaus wird es diesmal nicht gehen. Wir werden natürlich über den Krieg Russlands gegen die Ukraine sprechen, auch über die Frage, ob es weitere Sanktionen gibt. Die EU ist entschieden. Die Sanktionen der Europäischen Union sind auf dem Weg und werden beschlossen. Meine Meinung dazu ist bekannt. Ich würde mir sehr wünschen, dass sich die Vereinigten Staaten von Amerika dem anschließen und auch auf ihrer Seite entsprechende Sanktionen verhängen. Das ist unter der Trump-Administration bisher nicht der Fall. Es gelten zurzeit ausschließlich die Sanktionen, die noch unter der alten Regierung von Joe Biden beschlossen worden sind.
Dann muss man schauen, ob es am Rande dieses Treffens Möglichkeiten gibt, auch über die Zollpolitik zu sprechen. Ich habe das gestern Abend sehr ausführlich mit meinen Kollegen aus Italien, Frankreich und Großbritannien besprochen. Großbritannien steht etwas außerhalb, weil sie ein bilaterales Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika machen können. Das können wir Europäer nicht; das können wir nur gemeinsam mit den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Aber ich kann so viel sagen: Emmanuel Macron, Giorgia Meloni und ich sind fest entschlossen, den Versuch zu unternehmen, in diesen beiden Tagen noch einmal mit der amerikanischen Regierung zu sprechen, ob wir hier nicht zu einer Lösung kommen. Es wird auf diesem Gipfel keine Lösung geben. Aber wir könnten uns einer Lösung vielleicht in kleinen Schritten nähern.
Die Bundesregierung
Foto: Bundesregierung/Guido Bergmann