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Klingbeil wird abgestraft: SPD mit neuer Doppelspitze

Die SPD hat eine neue Parteispitze: Bärbel Bas wird mit überwältigender Mehrheit gewählt, Lars Klingbeil erhält einen Denkzettel. Der Parteitag in Berlin markiert einen Wendepunkt – mit offenen Fragen

Die SPD hat auf ihrem Parteitag in Berlin eine neue Doppelspitze gewählt – und dabei ein deutliches Zeichen gesetzt: Während Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas mit rund 95 Prozent der Stimmen triumphierte, fiel Vizekanzler Lars Klingbeil mit nur 64,9 Prozent in Ungnade. Der krasse Kontrast zur Wahl vor zwei Jahren, als Klingbeil noch mit 85,6 Prozent bedacht wurde, offenbart ein deutliches Misstrauen in den eigenen Reihen.

Klingbeil selbst zeigte sich sichtlich enttäuscht und sprach von einem „schweren Ergebnis“, das er sich „anders gewünscht“ hätte. In seiner Analyse führte er die Ursachen direkt an: seine klare Positionierung für Waffenlieferungen an die Ukraine und seine harte Linie gegen Russland. „Ich weiß, dass meine Entscheidungen der letzten Monate nicht jedem in der Partei gefallen“, sagte er, kündigte aber an, seinen Kurs nicht zu ändern.

Doch der Unmut in der SPD reicht tiefer. Bereits im Vorfeld war Klingbeil von Parteikollegen vorgeworfen worden, persönliche Karriereambitionen über die inhaltliche Aufarbeitung des historisch schlechten Bundestagswahlergebnisses gestellt zu haben. Dass Klingbeil nach dem desaströsen Abschneiden von 16,4 Prozent weder die Fraktionsführung noch sein Regierungsposten abgab, empörte Teile der Basis.

Seine Verteidigung: Die SPD brauche Handlungsfähigkeit und eine klare Führungsstruktur. Doch diese Argumentation verfing bei vielen Delegierten nicht mehr. Der Absturz bei der Wahl wurde als Denkzettel verstanden – und als Warnung, dass die Basis künftig nicht mehr jeden Kurs kritiklos mittragen wird.

Bärbel Bas hingegen wurde mit Begeisterung in ihr neues Amt gewählt. Die Bundestagspräsidentin versprach, die Partei näher an die Sorgen der Menschen heranzuführen und die soziale Gerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Bas bedankte sich sichtlich gerührt für das große Vertrauen und kündigte einen "offenen Dialog mit allen Flügeln" an.

OZD


OZD-Kommentar
Die SPD hat gesprochen – und das deutlich. Während Bärbel Bas auf einer Welle der Zustimmung ins Amt getragen wurde, wurde Lars Klingbeil regelrecht abgestraft. Das ist mehr als ein Dämpfer – es ist ein Misstrauensvotum gegen den bisherigen Kurs der Parteiführung. Die Partei hat genug von Apparatschiks, die sich durchlavieren und keine Konsequenzen ziehen. Klingbeil hat die historische Wahlschlappe nicht wirklich aufgearbeitet, sondern sich an die Macht geklammert. Dass er sich jetzt trotzig gibt und seinen Ukraine-Kurs als Ursache für das schlechte Ergebnis herbeizitiert, wirkt wie ein Ablenkungsmanöver. In Wahrheit geht es um fehlende Selbstkritik, mangelnde Nähe zur Basis und ein Führungsverständnis, das nicht mehr zeitgemäß ist. Die SPD hat Klingbeil einen Denkzettel verpasst – ob er ihn versteht, ist fraglich.


OZD-Analyse

1. Was bedeutet die Wahl von Bärbel Bas für die SPD?
a) Sie steht für Ausgleich und Seriosität – und könnte das zerrüttete Vertrauen der Basis in die Parteiführung wiederherstellen.
– Bas verkörpert Integrität und Erfahrung, ohne als Teil des gescheiterten Kanzlerteams zu gelten.
– Ihre Nähe zur Sozialpolitik und ihre Rolle als Bundestagspräsidentin verleihen ihr parteiübergreifende Autorität.

2. Warum ist das Wahlergebnis für Klingbeil so brisant?
a) Es ist ein klares Misstrauensvotum der Parteibasis.
– Der Absturz von über 20 Prozentpunkten innerhalb von zwei Jahren ist historisch.
– Die Parteimitglieder fühlen sich von Klingbeils Machtpolitik entfremdet und schlecht vertreten.

3. Wie geht es in der SPD nun weiter?
a) Der neue Führungsstil wird von Bas abhängen – und ob Klingbeil bereit ist, innerparteiliche Kritik ernst zu nehmen.
– Sollte er seinen Kurs unbeirrt fortsetzen, droht eine weitere Spaltung der Partei.
– Die Enquetekommission zur Maskenaffäre, die Ukraine-Politik und das soziale Profil der SPD stehen nun im Fokus.



Was ist die SPD?
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) ist eine der ältesten politischen Parteien Europas und entstand aus der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts. Sie regiert aktuell gemeinsam mit Grünen und FDP in der sogenannten Ampelkoalition. Die SPD versteht sich als Partei der sozialen Gerechtigkeit, steht jedoch unter Druck, sich zwischen Regierungsverantwortung, transatlantischer Bündnistreue und sozialen Wurzeln zu positionieren.

Wer ist Bärbel Bas?
Bärbel Bas wurde 1968 in Duisburg geboren und ist seit 2009 Mitglied des Bundestages. 2021 wurde sie zur Bundestagspräsidentin gewählt – als zweite Frau nach Rita Süssmuth. Sie gilt als bodenständig, pragmatisch und sozialpolitisch engagiert. Ihre Berufung zur SPD-Vorsitzenden ist ein Signal für mehr Erdung und Realitätsnähe in der Parteispitze.

Wer ist Lars Klingbeil?
Lars Klingbeil, geboren 1978, ist SPD-Politiker aus Niedersachsen und seit 2021 SPD-Co-Vorsitzender. Er war zuvor Generalsekretär der Partei und ist eng mit der Parteizentrale verbunden. In seiner Rolle als SPD-Chef betonte er zuletzt verstärkt außen- und sicherheitspolitische Themen, insbesondere die Unterstützung der Ukraine, und strebte einen "strategischen Neuanfang" an – wurde dafür aber zunehmend parteiintern kritisiert.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.


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