Ein Flug aus Istanbul bringt 46 Menschen aus Afghanistan nach Hannover – ein Sieg, den sie sich erst vor Gericht erkämpfen mussten. Familien, Journalistinnen, Menschenrechtler, selbst eine Militärärztin: Sie alle tragen Geschichten von Angst und Hoffnung mit sich. Die Hilfsorganisation Kabul Luftbrücke spricht von einer überfälligen Entscheidung. Während Gerichte Aufnahmeansprüche bestätigten, blockierte die Politik monatelang. Jetzt haben die Betroffenen ihr Recht durchgesetzt – und Deutschland wird an seine Verantwortung erinnert.
Kommentar
Die Landung in Hannover ist ein Armutszeugnis für die deutsche Politik. Während Gerichte im Namen des Rechts Klarheit schafften, lavierte die Regierung zwischen Wahlkampfrhetorik und innenpolitischer Taktik. Dass gefährdete Menschen erst den mühsamen Rechtsweg gehen mussten, um eingelassen zu werden, ist beschämend. Wer einst Zusagen machte, darf sich später nicht herauswinden. Deutschland riskiert nicht nur Glaubwürdigkeit, sondern auch Vertrauen für künftige Auslandseinsätze. Wenn Ortskräfte erleben, dass Versprechen nur auf dem Papier gelten, dann ist das nicht nur eine humanitäre Schwäche – es ist ein strategisches Desaster.
Lesermeinungen
„Erst Versprechen, dann Vergessen – und am Ende müssen Gerichte die Politik an ihre eigene Moral erinnern. Bravo, Berlin!“ Jens Habig, Dresden
„Vielleicht sollten Ortskräfte beim nächsten Auslandseinsatz gleich einen Anwalt statt einen Helm bekommen – wäre ehrlicher.“ P. Hatt, Zwickau
„Deutschland: Weltmeister im Zögern, Bedenkentragen und Blockieren – außer die Justiz zwingt zur Menschlichkeit.“ Elfriede Suttner, Krefeld
Analyse
Juristischer Weg
a) 46 Afghaninnen und Afghanen konnten erst nach Klagen in erster und zweiter Instanz einreisen.
b) Rund 85 Eilverfahren sind aktuell noch anhängig, mit schwankender Zahl.
c) Die Gerichte entschieden zugunsten der Antragsteller, oft ohne dass das Auswärtige Amt weiter Beschwerde einlegte.
Politischer Hintergrund
a) Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag Aufnahmeprogramme stark eingeschränkt.
b) Trotzdem bestehen verbindliche Zusagen für frühere Ortskräfte und gefährdete Personen.
c) Kritiker wie Roderich Kiesewetter (CDU) warnen vor Vertrauensverlust in Auslandseinsätze, während Omid Nouripour (Grüne) von „Wahlkampfgetöse“ spricht.
Zahlen und Daten
a) Noch rund 2300 Afghaninnen und Afghanen warten auf die Ausreise nach Deutschland.
b) Etwa 2100 davon befinden sich in Pakistan, der Rest in Afghanistan.
c) Mehr als 90 Prozent der potenziellen Einreisenden haben das Aufnahmeverfahren noch nicht vollständig durchlaufen.
Erklärungen
Kabul Luftbrücke: Eine zivilgesellschaftliche Initiative, die gefährdete Afghaninnen und Afghanen bei der Ausreise unterstützt.
Ortskräfte: Afghanische Mitarbeiter, die für deutsche Institutionen, die Bundeswehr oder NGOs tätig waren und wegen dieser Tätigkeit in Gefahr geraten sind.
Aufnahmeprogramme: Staatliche Zusagen zur Aufnahme besonders gefährdeter Personen, oft vor dem Machtwechsel der Taliban 2021 erteilt.
Taliban: Radikalislamische Bewegung, die im August 2021 die Macht in Afghanistan übernahm und seither mit massiven Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht wird.
OZD
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Titelbild AFP