Die mutmaßliche Verletzung des estnischen Luftraums durch drei russische MiG-31 hat internationale Konsequenzen: Am Montag wird sich der UN-Sicherheitsrat mit dem Vorfall befassen, auch der Nato-Rat kommt auf Antrag Estlands zusammen. Tallinn sprach von einer „dreisten Verletzung“ seiner Souveränität und einer „umfassenderen Eskalation Russlands“.
Nach estnischen Angaben waren die Kampfjets am Freitag nahe der Insel Vaindloo zwölf Minuten im estnischen Luftraum geblieben. F-35 der italienischen Luftwaffe, die derzeit an der Nato-Luftraumüberwachung beteiligt sind, fingen die Maschinen ab. Estland beantragte daraufhin Konsultationen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags.
Moskau weist die Vorwürfe zurück. Das Verteidigungsministerium erklärte, die Jets seien von Karelien nach Kaliningrad geflogen, auf einer „planmäßigen Route“ und stets in „neutralen Gewässern“ der Ostsee. Von einer Luftraumverletzung könne keine Rede sein.
Die Vorfälle häufen sich: Bereits im Mai, Juni und September meldete Estland russische Verletzungen seines Luftraums. Auch Polen und Rumänien registrierten jüngst russische Drohnen, in Polen waren es rund 20 in einer Nacht.
Die internationale Reaktion fällt scharf aus. CDU-Außenexperte Jürgen Hardt forderte ein „klares Stoppschild“ und stellte im Ernstfall sogar den Abschuss russischer Jets in Aussicht. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von „äußerst schwerwiegenden Vorfällen“ und rief zu einer deutlich stärkeren europäischen Verteidigung auf. Sie kündigte an, bis zu 800 Milliarden Euro für die Schließung von Fähigkeitslücken zu mobilisieren.
OZD
OZD-Kommentar
Der Zwischenfall vor Estland ist weit mehr als ein Streit über
Flugrouten. Russland testet bewusst die rote Linie – wie lange reagiert
der Westen nur mit Sitzungen und Worten? Artikel-4-Konsultationen sind
richtig, aber sie sind noch kein starkes Signal an den Kreml. Solange
Nato und EU ihre Drohungen nicht mit klaren militärischen Konsequenzen
unterlegen, wird Moskau weiter provozieren. Das Risiko eines fatalen
Zwischenfalls steigt. Wenn von der Leyen Milliarden für Verteidigung
mobilisieren will, dann muss dieses Geld schnell und sichtbar in die
Ostflanke fließen – sonst wird die Nato in den baltischen Staaten nur
noch als zahnloser Tiger wahrgenommen.
OZD-Analyse
Hintergrund des Vorfalls
– Drei russische MiG-31 am Freitag über Insel Vaindloo gemeldet
– Estland: 12 Minuten Luftraumverletzung, Transponder aus, kein Flugplan
– Italienische F-35 fingen Maschinen ab
Russische Darstellung
– Moskau: Flug planmäßig von Karelien nach Kaliningrad
– Behauptung: „Neutraler Luftraum, keine Verletzung“
– Konflikt über Auslegung der Flugroute
Politische Folgen
a) Nato: Konsultationen nach Artikel 4, Signal der Solidarität
b) UNO: Sicherheitsrat befasst sich, verstärkt internationale Bühne
c) EU: Von der Leyen fordert Sicherheits-Offensive mit 800 Milliarden Euro
Mini-Infobox: Russische Provokationen 2024/25
20 russische Drohnen verletzten polnischen Luftraum
Rumänien meldete ebenfalls Drohnen-Eindringlinge
Estland: MiG-31 am 13. Mai, 22. Juni, 7. Sept.
Neuer Vorfall: drei MiG-31 über Vaindloo (Sept.)
Nato-Partner reagieren mit Artikel-4-Konsultationen
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
