Ein Tag für die Geschichtsbücher: Mit einem Spektakel, das selbst die Pharaonen beeindruckt hätte, ist in Kairo das Große Ägyptische Museum feierlich eröffnet worden. Präsident Abdel Fattah al-Sisi sprach in seiner Eröffnungsrede am Samstagabend von einem „neuen Kapitel der Geschichte“ Ägyptens. Der Milliardenbau, in dem mehr als 100.000 Artefakte aus der Zeit der Pharaonen ausgestellt sind, soll das Land kulturell und wirtschaftlich beflügeln.
Vor den Augen dutzender Staats- und Regierungschefs – darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier – inszenierte Ägypten ein farbenprächtiges Schauspiel aus Musik, Licht und Tanz. Feuerwerk und ein Symphonieorchester tauchten die Wüste von Gizeh in ein goldenes Leuchten, Tänzer in Kostümen, inspiriert von altägyptischen Wandmalereien, ließen die Vergangenheit lebendig werden.
Das Museum liegt in direkter Sichtweite der Pyramiden von Gizeh – ein architektonisches Meisterwerk aus Glas, Stein und Sand. Mit rund 24.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche ist es nach Angaben der Behörden die größte Sammlung der Welt, die einer einzigen Kultur gewidmet ist. Im Hauptatrium thront eine elf Meter hohe, 83 Tonnen schwere Statue des legendären Pharao Ramses II.
Ein Highlight ist der vollständige Grabschatz des Tutanchamun: 5.000 Artefakte, darunter seine weltberühmte goldene Totenmaske, sind erstmals seit ihrer Entdeckung 1922 an einem Ort vereint. Besucher können außerdem Restauratoren bei der Arbeit an einer 4.500 Jahre alten Pharaonenbarke über die Schulter schauen – durch Glaswände, die Einblicke in die Werkstätten ermöglichen.
Das Museum setzt auf modernste Technik: interaktive Galerien, Präzisionsbeleuchtung, virtuelle Rekonstruktionen und sogar ein Kindermuseum, das die Geschichte Ägyptens spielerisch vermittelt.
Die Bauzeit betrug mehr als zwei Jahrzehnte. Immer wieder verzögerten politische Unruhen, regionale Konflikte und die Corona-Pandemie das Mammutprojekt. Gebaut wurde das Museum mit finanzieller und technischer Unterstützung Japans. „Wir alle haben davon geträumt, dass dieses Projekt realisiert wird“, sagte Premierminister Mostafa Madbouli.
Die ägyptische Regierung hofft nun auf einen kräftigen Tourismus-Boom. Fünf Millionen Besucher pro Jahr sollen das Museum künftig anziehen. Nach einem Probelauf seit Oktober öffnet das Museum am kommenden Dienstag vollständig für die Öffentlichkeit.
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OZD-Kommentar
Ägypten hat mit dem Großen Ägyptischen Museum nicht nur ein archäologisches Denkmal, sondern ein Symbol nationaler Selbstbehauptung geschaffen. Jahrzehntelang stand das Projekt für Aufschub, Krisen und Träume im Wüstensand – nun ist es Wirklichkeit. Doch hinter der Pracht liegt auch Kalkül: Das Museum soll Tourismus, Image und internationale Anerkennung fördern.
– Der Glanz der Vergangenheit soll das heutige Ägypten neu erstrahlen lassen.
– Sisis Regierung inszeniert Kultur als Machtinstrument.
– Zwischen Stolz und Propaganda verschwimmen die Grenzen.
Prognose: Das Museum wird zum Magneten – doch ob es mehr ist als ein politisches Prestigeprojekt, entscheidet sich an seiner Offenheit für Wissenschaft und Weltöffentlichkeit.
Lesermeinungen
„Endlich! Ich habe jahrelang darauf gewartet, den Schatz des Tutanchamun an einem Ort zu sehen.“ – Sabine Köhler, München
„Das neue Museum zeigt: Ägypten kann Tradition und Moderne verbinden wie kein anderes Land.“ – Leila Hassan, Hamburg
OZD-Analyse
1. Kulturelle Bedeutung
Das Große Ägyptische Museum ist mehr als ein Bauwerk – es ist ein Symbol für die Wiederentdeckung des kulturellen Erbes Ägyptens.
a) Es präsentiert die weltweit umfassendste Sammlung altägyptischer Kunst.
b) Es verbindet moderne Architektur mit uralter Geschichte.
c) Es positioniert Ägypten als globales Zentrum für Archäologie und Kultur.
2. Wirtschaftliche Dimension
– Ziel: fünf Millionen Besucher jährlich.
– Erwarteter Jahresumsatz: mehrere Milliarden ägyptische Pfund.
– Tourismus als strategischer Wachstumsmotor nach den Krisenjahren.
3. Politische Botschaft
Das Museum ist auch ein politisches Signal: Stabilität, Modernität und Nationalstolz. Präsident Sisi nutzt das Projekt, um Ägyptens Rolle als Kulturmacht zu unterstreichen – im Wettbewerb mit den Golfstaaten, die mit gigantischen Kulturprojekten ihrerseits Schlagzeilen machen.
OZD-Erklärung
Was ist das Große Ägyptische Museum (GEM)?
Das Große Ägyptische Museum (Grand Egyptian Museum, GEM) ist ein neues nationales Museum am westlichen Stadtrand Kairos, nahe den Pyramiden von Gizeh. Mit einer Fläche von über 24.000 Quadratmetern beherbergt es mehr als 100.000 Artefakte aus der gesamten Pharaonenzeit. Es gilt als das größte archäologische Museum der Welt und wurde mit Unterstützung Japans realisiert.
OZD-Erklärung
Wer war Tutanchamun?
Tutanchamun war ein altägyptischer Pharao der 18. Dynastie (ca. 1332–1323 v. Chr.). Er wurde im Alter von etwa 19 Jahren gestorben und 1922 vom britischen Archäologen Howard Carter entdeckt. Sein nahezu unberührtes Grab im Tal der Könige machte ihn zum berühmtesten Pharao der Welt.
OZD-Erklärung
Wer ist Abdel Fattah al-Sisi?
Abdel Fattah al-Sisi, geboren 1954 in Kairo, ist seit 2014 Präsident Ägyptens. Der ehemalige General kam nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi an die Macht. Unter seiner Führung verfolgt Ägypten ehrgeizige Infrastruktur- und Kulturprojekte – Kritiker werfen ihm jedoch autoritäre Regierungsführung und eingeschränkte Meinungsfreiheit vor.
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