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Wehrpflicht-Debatte: Koalition steht kurz vor Kompromiss – Entscheidung bis Freitag erwartet

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp (CDU), rechnet mit einer baldigen Einigung in der Koalition auf das neue Wehrdienstmodell. Noch in dieser Woche soll der Kompromiss stehen – damit das Gesetz bereits 2026 greifen kann.

In der Debatte um die Zukunft des Wehrdiensts in Deutschland erwartet der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp (CDU), eine rasche Einigung zwischen Union und SPD. „Ich gehe davon aus, dass das noch in dieser Woche gelingt“, sagte Röwekamp am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“.

Die Koalitionsparteien hätten sich bereits auf viele Punkte verständigt – offen seien nur noch Detailfragen, so der CDU-Politiker. Am Montag tagt der Verteidigungsausschuss öffentlich, um die unterschiedlichen Modelle zu diskutieren.

Nach Röwekamps Worten soll der Bundestag bereits am 5. Dezember über das neue Wehrdienstgesetz abstimmen. „Idealerweise kann es dann noch im kommenden Jahr in Kraft treten“, sagte er im Deutschlandfunk.

Freiwilliger Wehrdienst statt Pflichtmodell

Ziel sei es, eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht zu vermeiden, betonte Röwekamp. Stattdessen wolle man möglichst viele junge Menschen freiwillig für den Dienst bei der Bundeswehr gewinnen. Eine flächendeckende Musterung eines Jahrgangs könne dazu beitragen, da sie den Kontakt zwischen Bundeswehr und Jugendlichen herstelle.

Derzeit zählt die Bundeswehr rund 182.000 aktive Soldatinnen und Soldaten. Um die Verpflichtungen gegenüber der NATO zu erfüllen, soll die Truppe auf 260.000 Kräfte anwachsen – zusätzlich sollen 200.000 Reservistinnen und Reservisten bereitstehen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) plant, einen neuen freiwilligen Wehrdienst einzuführen. Uneinigkeit besteht jedoch darüber, was passiert, wenn sich nicht genug Freiwillige melden.

Kontroverse um Losverfahren

Diskutiert wird ein Losverfahren, um im Bedarfsfall bestimmte Jahrgänge zufällig zu ziehen. Röwekamp bezeichnete es als „geeignetes Instrument“, während Pistorius diese Methode ablehnt.

Auch die Musterung alter Prägung sieht Röwekamp kritisch: „Ob es heute noch sinnvoll ist, nach Sehkraft, Körpergröße oder Gewicht auszuwählen, darf man bezweifeln.“

Bundeswehr sucht Fähigkeiten statt Körpermaße

Als Alternative verwies Röwekamp auf den Vorschlag von Generalinspekteur Carsten Breuer. Dieser hatte angeregt, im Bedarfsfall gezielt Menschen mit besonderen Fähigkeiten einzuberufen – etwa in den Bereichen IT, Technik oder Sanitätsdienst.

„Wenn verpflichtend einberufen wird, müssen wir schauen, welche Bedarfe wir haben und wer besonders qualifiziert ist“,
so Röwekamp.

OZD / © Reuters

OZD-Kommentar

Wehrdienst 2.0 – zwischen Pragmatismus und Symbolpolitik

Die Bundesregierung steht vor einer Gratwanderung: Wehrpflicht ja oder nein? Statt einer klaren Antwort sucht Berlin den Kompromiss zwischen Freiwilligkeit und Zwang – und verliert dabei Zeit, die die Bundeswehr nicht hat.

Ein Losverfahren klingt modern, ist aber nichts anderes als eine Zufalls-Wehrpflicht. Die Diskussion um Sehkraft und Körpergewicht verdeckt das eigentliche Problem: Der Mangel an Attraktivität, Struktur und Ausstattung der Truppe.

Röwekamps Optimismus, die Einigung noch in dieser Woche zu schaffen, mag berechtigt sein. Doch selbst wenn das Gesetz 2026 greift, steht Deutschland erst am Anfang einer echten Verteidigungswende – die mehr braucht als Musterung und Losglück: Vertrauen, Perspektive und Verlässlichkeit.

OZD-Analyse

1. Hintergrund:

Die allgemeine Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt.

Verteidigungsminister Pistorius will ein neues Freiwilligenmodell einführen.

Das Modell soll junge Menschen stärker für den Dienst gewinnen und im Krisenfall eine Reserve schaffen.

2. Zahlen & Ziele:

Aktuell: 182.000 aktive Soldaten

Ziel: 260.000 Soldaten + 200.000 Reservisten

Erwarteter Start des neuen Wehrdiensts: 2026

3. Streitpunkte:

Freiwilligkeit vs. Verpflichtung

Losverfahren oder gezielte Auswahl

Rolle der Musterung

Finanzierung und Verwaltungskosten

Lesermeinungen

„Ein Losverfahren ist nichts anderes als Wehrpflicht durch die Hintertür.“ – Martin K., Hamburg
„Wenn die Bundeswehr attraktiv wäre, müsste man niemanden losen.“ – Julia S., Dresden
„Röwekamp hat recht: Nur mit Freiwilligkeit bleibt die Truppe legitimiert.“ – Andre W., Köln

Fazit

Die Wehrdienst-Einigung steht kurz bevor – doch der politische Streit über Zwang, Freiwilligkeit und Fairness wird bleiben. Deutschlands neue Verteidigungsstrategie braucht mehr als Kompromisse: Sie braucht Überzeugung.

OZD


Alle Angaben ohne Gewähr.

Bild: OZD