Der mutmaßliche Attentäter von Magdeburg, Taleb A., hat am Dienstag vor dem Landgericht ein erschütterndes Geständnis abgelegt. „Ich habe mit Absicht angegriffen, das war meine Absicht, definitiv“, erklärte der 51-Jährige am zweiten Prozesstag. Sechs Menschen waren bei dem Anschlag am 20. Dezember 2024 auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt getötet, über 300 verletzt worden.
Zwar bestritt der Angeklagte, gezielt Menschen überfahren zu haben – doch seine Aussagen ließen keinen Zweifel am Vorsatz. „Es war mir egal, ob Leute verletzt werden oder sterben“, sagte A., der nach eigener Darstellung die Strecke „etwa 20 Mal abgelaufen“ hatte, bevor er zuschlug. Schon Wochen vor der Tat habe er den Markt als „ungeschützt“ wahrgenommen und akribisch vorbereitet.
Am Tattag mietete er ein Auto, veröffentlichte ein Video in sozialen Medien – und gab Gas. Er habe sich auf Stände und Kioske konzentriert, nicht auf einzelne Personen. Doch die Konsequenzen seines Handelns erkannte er laut eigener Aussage erst später: „Ich erinnere mich, dass eine Frau gegen die Windschutzscheibe prallte.“
Viele Prozessbeobachter reagierten fassungslos. Auf der Nebenklägerbank kämpften Angehörige mit den Tränen. Der aus Saudi-Arabien stammende Arzt erklärte, er habe den Anschlag aus „Frust und Enttäuschung über deutsche Behörden“ begangen. Sie hätten ihn in seinen Bemühungen, gegen einen von ihm als „korrupt“ bezeichneten Flüchtlingsverein vorzugehen, ignoriert. „Ich wollte, dass die Welt mich hört“, sagte A.
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg sieht im Anschlag das Ergebnis einer radikalisierten Wut. Der Angeklagte habe „eine unbestimmte große Zahl von Menschen“ töten wollen, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Ursprünglich habe A. auch eine Sprengattacke auf die Staatsanwaltschaft oder ein Café erwogen, diese Pläne aber verworfen.
Der Prozess, der unter strengen Sicherheitsvorkehrungen geführt wird, ist bis März terminiert. A. befindet sich derzeit im Hungerstreik. Sollte er verhandlungsunfähig werden, könne das Gericht laut Richter Dirk Sternberg auch in seiner Abwesenheit fortfahren.
Der diesjährige Weihnachtsmarkt in Magdeburg steht unterdessen wegen Sicherheitsbedenken auf der Kippe. Das Landesverwaltungsamt bemängelte das Schutzkonzept der Stadt, Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) will kurzfristig eine Lösung suchen.
OZD
OZD-Kommentar:
Das Geständnis von Taleb A. ist so erschütternd wie entlarvend. Ein
Mann, der über Monate plant, beobachtet, filmt – und dann behauptet,
niemanden gezielt getötet zu haben. Diese Worte klingen wie Hohn für die
Opfer und ihre Familien. Der Fall zeigt, wie schnell persönliche Wut
und ideologischer Wahn zu blindem Hass werden können. Doch mindestens
ebenso alarmierend ist, dass ein Täter in Deutschland meint, Gehör nur
noch durch Gewalt zu finden. Die Justiz steht hier nicht nur über einem
einzelnen Fall, sondern über einer Gesellschaft, die lernen muss, Frust
nicht mit Fanatismus zu verwechseln.
Mini-Infobox:
– Tatort: Weihnachtsmarkt Magdeburg
– Tattag: 20. Dezember 2024
– Opfer: Sechs Tote, über 300 Verletzte
– Angeklagter: Taleb A., 51, Arzt aus Saudi-Arabien
– Prozess: Vor dem Landgericht Magdeburg, Termine bis März 2026
OZD-Analyse
Das Geständnis und seine Wirkung
a) A.s Aussagen bestätigen Vorsatz, nicht Wahnsinn – er plante minutiös.
b) Seine „Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben“ offenbart gefährlichen Fanatismus.
c) Das Geständnis erschüttert Angehörige, zeigt aber auch die Notwendigkeit lückenloser Aufklärung.
Justiz und Sicherheitspolitik
– Der Anschlag führte zu Debatten über Schutzmaßnahmen bei Großveranstaltungen.
– Die vorläufige Nichtgenehmigung des diesjährigen Markts zeigt: Vertrauen muss erst wieder aufgebaut werden.
– Ermittler sehen in A. kein klassisches Terrorprofil, sondern einen politisch aufgeladenen Einzeltäter.
Psychologisches und gesellschaftliches Motiv
– Der Täter sah sich als Opfer eines „ungerechten Systems“.
– Er wollte Aufmerksamkeit erzwingen – ein typisches Muster sogenannter „Rachetäter“.
– Die Tat reiht sich ein in eine Serie von Anschlägen, bei denen persönliche Kränkungen zur tödlichen Wut führten.
Was ist die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg?
Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg
ist die oberste Strafverfolgungsbehörde Sachsen-Anhalts. Sie führt
Verfahren von besonderer Bedeutung, darunter Terrorismus, schwere
Gewaltverbrechen und Staatsgefährdung. In diesem Fall vertritt sie die
Bundesinteressen bei der Verfolgung des Magdeburg-Attentäters.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
OZD-Extras
Hintergrund: Der
Anschlag von Magdeburg war der schwerste Angriff auf einen
Weihnachtsmarkt in Deutschland seit dem Attentat am Berliner
Breitscheidplatz 2016. Sicherheitsbehörden haben seither mehr als 70
konkrete Bedrohungslagen gegen Großveranstaltungen geprüft.