Stuttgarts Trainer Sebastian Hoeneß sah sich nach der 1:2-Niederlage beim Hamburger SV mit scharfer Kritik an seiner mutigen Aufstellung konfrontiert – und verteidigte seine Entscheidung ungewöhnlich klar. Gleich sieben Wechsel im Vergleich zum Europa-League-Sieg in Deventer hatten dem VfB sichtbar die spielerische Stabilität genommen. Doch Hoeneß bat um Verständnis: Seine Überlegungen seien nicht einfach an einem Ergebnis zu messen.
Besonders die Situation um Topstürmer Deniz Undav führte der Coach an. Der Angreifer saß zunächst auf der Bank, musste jedoch nach der frühen Verletzung von Chris Führich bereits vor der Pause eingewechselt werden. „Am Ende wird mir keiner sagen, wie er es findet, wenn sich Deniz Undav verletzt“, sagte Hoeneß. „Er hat schon wieder länger gespielt, als er eigentlich sollte.“ Gerade im November und Dezember drohten viele Muskelverletzungen, betonte er – und aktuell habe der VfB „nur einen Stürmer“.
Auch insgesamt sei der Belastungsplan entscheidend gewesen. Mit Einsätzen im DFB-Pokal, der Europa League und der Bundesliga habe der Klub „eine enorme Taktung“, erklärte der Trainer. Entscheidungen müsse man daher „mit Überzeugung treffen“ und auch dann zu ihnen stehen, „wenn wir nicht happy sind, dass wir verloren haben“.
Gegen den HSV, der in der vierten Minute der Nachspielzeit sogar in Unterzahl den Siegtreffer erzielte, wirkten die Stuttgarter lange ungeordnet. Die Rotation, die Hoeneß bewusst einkalkulierte, zahlte sich sportlich nicht aus – im Gegensatz zur Hoffnung, das Team für die kommenden Aufgaben zu entlasten. Bereits am Mittwoch wartet das Pokal-Achtelfinale beim VfL Bochum.
OZD

OZD-Kommentar „Der Mutige steht allein – Hoeneß zwischen Risiko und Realität“
Sebastian Hoeneß hat etwas getan, wofür ihm viele Trainer im Nachhinein die Schuld geben werden: Er hat ein Risiko bewusst in Kauf genommen. Doch wer mit dem VfB in drei Wettbewerben unterwegs ist, weiß: Ohne Rotation bricht dir die Mannschaft spätestens im Winter auseinander. Hoeneß’ Fehler war nicht der Mut – sein Fehler war, dass Mut im Fußball erst zählt, wenn er belohnt wird.
Dass er sieben Spieler austauscht, zeigt strategisches Denken. Dass die Mannschaft danach wackelt, macht ihn nicht blind. Doch wenn man in der 94. Minute in Überzahl verliert, wird die nüchterne Belastungssteuerung zur emotionalen Zielscheibe. Genau dann wird aus einer nachvollziehbaren Entscheidung ein gefundenes Fressen für jene, die Ergebnisse über alles stellen.
Hoeneß steht nun zwischen zwei Wahrheiten: Er hat recht – und er hat verloren. Nur eine dieser Wahrheiten bleibt in Erinnerung. Die Frage ist, wie lange er noch erklären muss, bevor die Resultate wieder für ihn sprechen. Denn Risiko ist nur dann genial, wenn man am Ende nicht mit leeren Händen dasteht.
Mini-Infobox
Sieben Wechsel beim VfB im Vergleich zum Europa-League-Sieg
Undav musste früher ran wegen Führich-Verletzung
VfB kassiert Siegtreffer in der 94. Minute – trotz Überzahl
Stuttgarts Terminplan: Bundesliga, Pokal, Europa League
Nächstes Spiel: Mittwoch Pokal-Achtelfinale in Bochum

1. Hoeneß’ Rotationsstrategie
– a) Belastungssteuerung wegen eng getaktetem Spielplan –
– b) Risiko: weniger Automatismen, weniger Kontrolle –
– c) Langfristige Kadergesundheit stand über kurzfristigem Erfolg –
2. Sportliche Konsequenzen
– a) Instabilität gegen HSV sichtbar
– b) Undavs vorzeitiger Einsatz erhöht Verletzungsgefahr
– c) Später Gegentreffer zeigt mentale und strukturelle Müdigkeit –
3. Bedeutung für die kommenden Wochen
– a) Pokal-Achtelfinale als richtungsweisender Belastungstest
– b) Frage: Trägt das Team die Rotation mit?
– c) Trainerkritik wird leiser – wenn die nächsten Spiele sitzen –
Wer ist Sebastian Hoeneß?
Sebastian Hoeneß ist Cheftrainer des VfB Stuttgart und galt zuletzt als
einer der spannendsten Coaching-Charaktere der Bundesliga. Bekannt für
mutige Entscheidungen, offensiven Fußball und klare Kommunikation.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Extra: VfB-Sturmproblem – Undav als Einzelkämpfer
Weil Stuttgart aktuell nur einen voll einsetzbaren Stürmer hat, wird
jeder Einsatz von Undav zum Balanceakt. Hoeneß rotierte also nicht aus
Laune – sondern aus purer Notwendigkeit.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.