Der britische Fotograf Martin Parr, dessen grelle, ironische und oft gnadenlos ehrliche Aufnahmen das Bild des britischen Alltags weltweit prägten, ist im Alter von 73 Jahren gestorben. Seine Stiftung und die renommierte Agentur Magnum Photos bestätigten am Sonntag seinen Tod im westenglischen Bristol. Parr gilt als einer der einflussreichsten Dokumentarfotografen Europas und wurde durch seine ungeschönten Porträts von Massenkultur, Konsum und Tourismus weit über Großbritannien hinaus bekannt.
Geboren am 23. Mai 1952 in Surrey, entdeckte Parr durch seinen Großvater die Liebe zur Fotografie. Seine frühen Arbeiten orientierten sich an den Schwarz-Weiß-Meistern der 1970er Jahre, doch Mitte der 1980er Jahre vollzog er den Wandel zu farbgesättigten, knalligen Aufnahmen, die ihn weltberühmt machten. Mit seiner Serie „Last Resort“, die britische Mittelklasse-Touristen in Brighton porträtiert, verschob er 1986 die Grenzen dokumentarischer Fotografie und begeisterte wie provozierte gleichermaßen.
1994 wurde Parr Mitglied der Fotoagentur Magnum, die er zwischen 2013 und 2017 leitete. Sein Werk erzählt von der Komik, Absurdität und Tragik des modernen Lebens – oft gnadenlos beobachtet, manchmal mit Kitsch, immer mit einem präzisen Blick für das Unbequeme. Eine Bildsprache, die ihm Bewunderer und Kritiker zugleich einbrachte.
Parr hinterlässt seine Frau Susie und seine Tochter Ellen. Wie der „Guardian“ berichtete, war bei ihm bereits 2021 Krebs diagnostiziert worden. Nun endet das Leben eines Künstlers, der unseren Blick auf den Alltag verändert hat – und dessen Bilder bleiben.
OZD
OZD-Kommentar: „Der Mann, der uns das Unbequeme zumutete“
Martin Parr war kein Fotograf fürs Gefällige – und genau das machte ihn so bedeutsam. Er hielt der britischen Gesellschaft, aber auch der globalen Konsumkultur einen Spiegel vor, in dem niemand wirklich vorteilhaft aussieht. Seine Bilder waren schrill, oft gnadenlos, manchmal peinlich, aber immer wahrhaftig. Parr zwang uns, hinzusehen, wo wir lieber weggeschaut hätten.
In einer Zeit, in der Bildwelten zunehmend glattpoliert, digital verschliffen und übersättigt sind, wirkt Parrs Werk wie ein Gegenentwurf zur Perfektion: ehrlich, kantig, unbequem. Gerade darin liegt seine Größe. Der Tod dieses Ausnahmefotografen reißt eine Lücke – und hinterlässt ein Vermächtnis, das uns weiter herausfordern wird.
Mini-Infobox
Martin Parr starb im Alter von 73 Jahren in Bristol
Berühmt für ironische, grelle Dokumentarfotografie
Durchbruch mit der Serie „Last Resort“ (1986)
Ehemaliger Präsident der Agentur Magnum Photos
2021 wurde bei ihm Krebs diagnostiziert

OZD-Analyse
1. Bedeutung für die Fotografiegeschichte
– a) Parr prägte die britische Dokumentarfotografie –
– b) Seine Farbästhetik setzte neue Maßstäbe –
– c) Internationale Fotoagenturen orientierten sich an seinem Stil –
2. Gesellschaftlicher Einfluss
– a) Bilder als Spiegel des Konsumzeitalters –
– b) Kritik und Provokation als künstlerische Werkzeuge –
– c) Publikum zwischen Faszination und Irritation –
3. Vermächtnis und Wirkung
– a) Schulbücher und Museen weltweit zeigen Parrs Werk –
– b) Nachwuchsfotografen orientieren sich an seiner Direktheit –
– c) Sein Stil bleibt prägend für visuelle Sozialkritik –

Erklärungen
Wer war Martin Parr?
Martin Parr war ein britischer Dokumentarfotograf und langjähriges
Mitglied der Agentur Magnum. Er wurde international bekannt für seine
knalligen, ironischen und zugleich präzisen Aufnahmen des britischen
Alltags und der westlichen Konsumkultur.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Was ist Magnum Photos?
Magnum Photos ist eine der weltweit bedeutendsten Fotoagenturen und
wurde 1947 gegründet. Sie gilt als Heimat vieler ikonischer Fotografen
und hat das dokumentarische Bildverständnis des 20. und 21. Jahrhunderts
entscheidend mitgeprägt.
Extra: Warum „Last Resort“ bis heute provoziert
Die Serie über britische Mittelklasse-Familien im Urlaub wurde in den
1980ern für ihren schonungslosen Blick kritisiert. Heute gilt sie als
Meilenstein, weil sie die sozialen Umbrüche der Thatcher-Ära sichtbar
machte – ohne Kommentar, nur durch Bilder.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
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