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Alleinerziehende am Limit – und ihre Kinder spüren es zuerst - Politik versagt?

Eine neue Studie zeigt: Finanzielle Belastungen lassen viele Eltern zweifeln, ihren Kindern gerecht zu werden – besonders Alleinerziehende und kinderreiche Familien kämpfen um jedes Stück Normalität.

Eltern, die finanzielle Sorgen haben, zweifeln deutlich häufiger daran, den Bedürfnissen ihrer Kinder voll gerecht zu werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BIB). Besonders betroffen sind Alleinerziehende, die ihr Einkommen als zu gering empfinden – ihre Lebensrealität ist oft geprägt von dauerhafter Unsicherheit, Zeitknappheit und einem hohen emotionalen Druck.

Kinder seien nicht per se ein Armutsrisiko, betonte Studienautorin Pauline Kleinschlömer. Entscheidend sei vielmehr die Familienform, in der sie aufwachsen. Vor allem Alleinerziehende und kinderreiche Familien seien deutlich häufiger armutsgefährdet und schätzten ihre finanzielle Lage selbst als prekär ein. Diese Selbsteinschätzung beeinflusse auch den Alltag: Viele Alleinerziehende hätten das Gefühl, ihren Kindern nicht das geben zu können, was sie bräuchten.

Besonders alarmierend ist die Erkenntnis, dass Erwerbsarbeit längst nicht in allen Fällen vor Armut schützt. Alleinerziehende Frauen arbeiten laut Studie überdurchschnittlich oft Vollzeit – und sind dennoch einem höheren Armutsrisiko ausgesetzt als andere Familienformen. Fehlende Unterstützungssysteme, niedrige Löhne und unzureichende Betreuungskapazitäten verschärfen die Situation zusätzlich.

Die Studie zeigt, wie sehr fehlende Kinderbetreuungsangebote das Risiko sozialer Ausgrenzung verstärken. Rund 27 Prozent der Alleinerziehenden und 33 Prozent der armutsgefährdeten Familien finden keinen Kita- oder Tagesbetreuungsplatz, obwohl sie dringend einen benötigen.

Finanzielle Transfers und verlässliche Betreuung seien deshalb zentrale Bausteine gegen Familienarmut, erklärte Mitautor Jan Brülle. Ohne eine Kombination aus flexiblen Betreuungszeiten, ausreichender finanzieller Unterstützung und stabilen Erwerbsmöglichkeiten drohten immer mehr Familien in dauerhafte Belastungsspiralen zu geraten.

OZD


OZD-Kommentar – Politik versagt? „Die leise Krise hinter verschlossenen Türen“

Diese Studie hält Deutschland den Spiegel vor: Die soziale Schieflage trifft ausgerechnet jene, die am wenigsten Spielraum haben – Alleinerziehende, meist Frauen, die trotz Vollzeitjob ums Überleben kämpfen. Kinderarmut entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern durch politische Versäumnisse, starre Arbeitsmärkte und ein Betreuungssystem, das auf dem Papier existiert, aber in der Realität Lücken reißt. Seit Jahren ist bekannt, dass fehlende Kita-Plätze Armut verstärken – und dennoch bewegt sich das System quälend langsam. Wer ein Kind großzieht, sollte nicht täglich fürchten müssen, zu scheitern. Doch genau das ist für viele Familien inzwischen Normalität. Das Problem ist nicht neu – aber es wird gefährlicher, je länger Politik und Gesellschaft wegschauen.



Mini-Infobox

27 % der Alleinerziehenden finden keinen Betreuungsplatz

33 % der armutsgefährdeten Familien ebenfalls ohne Betreuung

Alleinerziehende Frauen: trotz Vollzeitjob höchste Armutsgefahr

Familie als Armutsrisiko? Entscheidend ist die Familienform

Studie zeigt direkten Zusammenhang zwischen Finanzsorgen und elterlichen Selbstzweifeln



OZD-Analyse

1. Armutsrisiko Familienform
a) Alleinerziehende und kinderreiche Familien sind besonders gefährdet. –
b) Selbstwahrgenommene Armut beeinflusst das emotionale Familienleben deutlich. –
c) Strukturelle Faktoren wie Lohnniveau und Betreuungsangebote verschärfen die Lage. –

2. Arbeit schützt nicht automatisch vor Armut
a) Vollzeit arbeitende Alleinerziehende fallen häufiger unter die Armutsgrenze. –
b) Lücken in der Infrastruktur verhindern stabile Erwerbsmöglichkeiten. –
c) Staatliche Leistungen kompensieren nur unzureichend. –

3. Kinderbetreuung als Schlüsselproblem
a) Fehlende Plätze halten Eltern vom Arbeitsmarkt fern. –
b) Regionale Unterschiede verschärfen soziale Ungleichheit. –
c) Flexible, bedarfsgerechte Angebote gelten als Voraussetzung für Entlastung. –

Erklärungen

Was ist das BIB?
Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ist eine staatliche Forschungseinrichtung, die dem Innenministerium unterstellt ist. Es untersucht demografische Entwicklungen, Familienpolitik, Migration und gesellschaftliche Trends in Deutschland.

Was bedeutet Armutsgefährdung?
Als armutsgefährdet gelten Menschen, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung beträgt. Dieser Wert misst relative Armut und zeigt, wie gut Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.

OZD-Extras

Ein bemerkenswerter Zusatz: Laut BIB würden viele Alleinerziehende sofort mehr arbeiten, wenn sie einen Betreuungsplatz hätten – die Fachkräftelücke und die Familienarmut könnten gleichzeitig sinken.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.