Der Eurovision Song Contest steht vor einer historischen Zäsur. Nach dem Rückzug mehrerer Länder aus Protest gegen die Teilnahme Israels werden beim ESC 2026 in Wien nur noch 35 Nationen vertreten sein. Das bestätigte die Europäische Rundfunkunion. Es ist die niedrigste Teilnehmerzahl seit mehr als 20 Jahren – und ein deutliches Signal dafür, wie sehr politische Konflikte Europas größtes Musikspektakel erschüttern.
Auslöser des beispiellosen Boykotts ist Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober 2023. Nachdem die EBU eine Abstimmung über den Ausschluss Israels verweigerte und stattdessen lediglich über Regeländerungen zur Begrenzung politischer Einflussnahme entschied, erklärten zunächst die Niederlande, Spanien, Irland und Slowenien ihren Rückzug. Kurz darauf folgte Island. Es ist der umfangreichste politische Boykott in der Geschichte des ESC.
ESC-Direktor Martin Green bemühte sich dennoch um versöhnliche Worte. Der Wettbewerb bleibe ein Ort, an dem Kulturen, Sprachen und Stimmen zusammenkämen – gerade in schwierigen Zeiten. Besonders hob Green die Rückkehr Bulgariens, Rumäniens und der Republik Moldau hervor. Diese sei ein Zeichen für die anhaltende Strahlkraft des Formats. Kritiker sehen darin jedoch eher Schadensbegrenzung als echte Entwarnung.
Andere Länder machten ihre Teilnahme explizit von Israels Startrecht abhängig. Auch die Bundesregierung sprach sich gegen eine Ausgrenzung Israels aus. Der Staat zählt mit vier Siegen, zuletzt 2018, zu den erfolgreichsten Teilnehmern des Wettbewerbs. Der ESC 2026 wird am 16. Mai in Wien stattfinden, nachdem der österreichische Countertenor JJ mit „Wasted Love“ das Finale 2025 in Basel gewonnen hatte. OZD / ©AFP.
OZD-Kommentar – Wenn Musik nicht mehr ausreicht
Der ESC wollte immer unpolitisch sein – und war es doch nie. Der massive Rückzug gleich mehrerer Länder zeigt, dass der Anspruch, Musik könne Konflikte überdecken, an seine Grenzen stößt. Die EBU hat sich für Neutralität entschieden, doch Neutralität wird in Zeiten massiver Gewalt zunehmend als Haltungslosigkeit wahrgenommen. Der ESC 2026 wird stattfinden, aber er wird anders sein: kleiner, politischer und mit einem Vertrauensverlust, den bunte Lichter allein nicht kaschieren können.

Lesermeinungen
„Ein ESC mit nur 35 Ländern fühlt sich nicht mehr wie Europa an.“
„Musik sollte verbinden – aber man kann Politik nicht einfach ausblenden.“
„Der Boykott ist konsequent, aber am Ende verlieren die Fans.“
Mini-Infobox
– ESC 2026 mit nur 35 Teilnehmerländern
– Größter Boykott in der Geschichte des Wettbewerbs
– Rückzug mehrerer Länder wegen Israel-Teilnahme
– Finale am 16. Mai 2026 in Wien
– Niedrigste Teilnehmerzahl seit über 20 Jahren
OZD-Analyse
Politische Eskalation im Kulturbereich
– a) Gaza-Krieg als Auslöser
– b) ESC wird zur Projektionsfläche geopolitischer Konflikte
– c) Neutralitätsprinzip der EBU unter Druck
Folgen für den Wettbewerb
– a) Deutlich reduzierte Teilnehmerzahl
– b) Reputationsverlust für den ESC
– c) Gefahr weiterer Rückzüge in Zukunft
Bedeutung für Europa
– a) Kultur als Spiegel politischer Brüche
– b) Uneinigkeit innerhalb Europas sichtbar
– c) Musik als verbindendes Element auf dem Prüfstand

Was ist der Eurovision Song Contest?
Der Eurovision Song Contest ist der größte internationale
Musikwettbewerb der Welt und wird seit 1956 von der Europäischen
Rundfunkunion veranstaltet. Jährlich treten Länder mit eigenen
Musikbeiträgen gegeneinander an.
Was ist die Europäische Rundfunkunion (EBU)?
Die Europäische Rundfunkunion ist ein Zusammenschluss
öffentlich-rechtlicher Medienanstalten aus Europa und angrenzenden
Regionen. Sie organisiert unter anderem den Eurovision Song Contest und
legt dessen Regeln fest.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
OZD-Extras
Noch nie zuvor hatten sich so viele Länder geschlossen aus politischen Gründen vom ESC zurückgezogen.