Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) plant, bis zu 535 Afghaninnen und Afghanen mit bereits erteilter Aufnahmezusage möglichst noch bis zum Jahresende aus Pakistan nach Deutschland einreisen zu lassen. Die Bundesregierung habe ein klares Interesse daran, die Verfahren zügig abzuschließen, sagte Dobrindt den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Ziel sei es, die Aufnahmen „so weit wie möglich“ noch im Dezember abzuwickeln. Einzelne Fälle könnten jedoch ins neue Jahr fallen.
Nach Angaben des Innenministers handelt es sich dabei um rund 460 Personen, die bereits für das offizielle Bundesaufnahmeprogramm akzeptiert wurden, sowie um weitere 75 Menschen aus dem sogenannten Ortskräfteprogramm. Dies seien Fälle, bei denen davon ausgegangen werde, dass die Einreise nach Deutschland tatsächlich erfolge. Die Bundesregierung stehe hierzu im engen Austausch mit den pakistanischen Behörden.
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Pro Asyl weisen jedoch darauf hin, dass derzeit deutlich mehr Afghaninnen und Afghanen – rund 1800 Menschen – mit Aufnahmezusagen in Pakistan auf ihre Ausreise warten. Die pakistanische Regierung droht ihnen mit Abschiebung nach Afghanistan, sollten sie das Land nicht bis Ende Dezember verlassen. Menschenrechtler warnen, dass eine Rückkehr in das von den Taliban regierte Afghanistan für viele von ihnen lebensgefährlich wäre.
Hintergrund der Aufnahmezusagen ist die Machtübernahme der radikalislamischen Taliban im August 2021. Deutschland hatte damals Menschen zugesichert, Schutz zu gewähren, die für die Bundeswehr oder andere deutsche Institutionen gearbeitet hatten. Auch Frauenrechtlerinnen, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten galten als besonders gefährdet und erhielten Zusagen.
Nach dem Regierungswechsel in Berlin wurden diese Programme jedoch stark eingeschränkt. Union und SPD vereinbarten im Koalitionsvertrag, freiwillige Aufnahmeprogramme weitgehend zu beenden. Zwar bestätigten Gerichte in mehreren Fällen den rechtlichen Anspruch von Menschen mit verbindlicher Zusage, dennoch verweigert die Bundesregierung weiteren Personengruppen inzwischen die Einreise.
So teilte das Bundesinnenministerium mit, dass Afghaninnen und Afghanen, die von der früheren Ampel-Regierung auf eine sogenannte Menschenrechtsliste gesetzt worden waren, nicht mehr aufgenommen werden sollen. Ihnen wurde vergangene Woche eine endgültige Absage erteilt – mit der Begründung, es bestehe „kein politisches Interesse zur Aufnahme mehr“. Betroffen sind vielfach zivilgesellschaftlich engagierte Menschen, die offen gegen die Taliban aufgetreten sind.
Auch Personen aus dem Überbrückungsprogramm, darunter ehemalige Mitarbeiter deutscher Organisationen, sollen nicht mehr einreisen dürfen. Nach Angaben des Innenministeriums sind aktuell rund 650 Menschen in diesen Programmen erfasst. Ihnen seien lediglich finanzielle und praktische Hilfen angeboten worden.
In einem offenen Brief hatten zuletzt mehr als 250 deutsche Organisationen die Bundesregierung aufgefordert, alle Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage auch tatsächlich aufzunehmen. Angesichts drohender Abschiebungen aus Pakistan sei die Lage extrem dringlich. „Es zählt buchstäblich jeder Tag“, heißt es in dem Schreiben.
OZD
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