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Der Fluch der Heimschanzen: Warum Deutschland bei der Tournee leidet

Seit über zwei Jahrzehnten wartet Deutschland auf einen Sieg bei der Vierschanzentournee. Skisprung-Legende Toni Innauer erklärt, warum ausgerechnet der Gastgeberdruck zur größten Hürde geworden ist.

Skisprung-Olympiasieger Toni Innauer sieht die anhaltende deutsche Durststrecke bei der Vierschanzentournee vor allem im enormen Erwartungsdruck begründet. „Das ist nicht wie beim Finnen, der runterfährt und eh nichts versteht“, sagte der 67-Jährige vor Beginn der 74. Auflage in Interviews mit Merkur und tz. Auf deutsche und österreichische Springer prassele das gesamte mediale und emotionale Umfeld ein, was ein sensibles Coaching erfordere, um Athleten mental stabil durch das Turnier zu führen.

Deutschland wartet seit dem legendären Vierfach-Triumph von Sven Hannawald in der Saison 2001/02 auf einen Gesamtsieg. Auch Mitgastgeber Österreich erlebte eine längere Durststrecke, ehe Daniel Tschofenig im vergangenen Winter den Bann brach. Für die deutschen Springer aber dauert das Warten inzwischen mehr als zwanzig Jahre.

„Da baut sich eine Barriere auf“, erklärte Innauer. Das Umfeld entwickle eine negative Eigendynamik, die sich auf die Athleten übertrage. Trotz zahlreicher Ansätze und Veränderungen sei es dem deutschen Team bislang nicht gelungen, diesen „Fluch“ abzuschütteln. Ein Erfolg könne jedoch vieles verändern: Wer einmal gewonnen habe, strahle plötzlich Lockerheit aus – und dem falle es beim nächsten Mal deutlich leichter.

Innauer selbst gewann 1980 in Lake Placid Olympia-Gold, blieb bei der Tournee jedoch stets ohne Gesamtsieg. Die 74. Vierschanzentournee startet am Sonntag mit der Qualifikation in Oberstdorf. Es folgen Garmisch-Partenkirchen am Neujahrstag, Innsbruck am 4. Januar und das Finale in Bischofshofen am 6. Januar. OZD / ©AFP.


OZD-Kommentar – Wenn Tradition zur Last wird

Die Vierschanzentournee ist für deutsche Springer längst kein Mythos mehr, sondern ein mentaler Prüfstein. Jeder Sprung trägt die Last von zwei Jahrzehnten Erwartung. Innauers Analyse trifft ins Schwarze: Nicht Technik oder Talent fehlen, sondern Leichtigkeit. Solange die Tournee in Deutschland als historische Schuld verstanden wird, springt der Kopf mit – und der Ski bleibt schwer. Ein einziger Sieg könnte alles verändern. Doch bis dahin bleibt die Tournee ein Spiegel deutscher Nervosität.


Mini-Infobox

Letzter deutscher Gesamtsieg: 2001/02

Dauer der Durststrecke: über 20 Jahre

Start der 74. Tournee: Oberstdorf

Finale: Bischofshofen


OZD-Analyse

Mentaler Druck
a) Gastgeberrolle verstärkt Erwartungen
b) Medienaufmerksamkeit als Belastung
c) Negative Eigendynamik über Jahre

Vergleich mit Österreich
a) Ähnliche Durststrecke überwunden
b) Erfolg brachte Lockerheit zurück
c) Psychologischer Befreiungseffekt

Schlüssel zum Erfolg
a) Sensibles Coaching entscheidend
b) Fokus auf Prozess statt Historie
c) Ein Sieg als mentaler Türöffner




Erklärungen

Wer ist Toni Innauer?
Toni Innauer ist ein ehemaliger österreichischer Skispringer und Olympiasieger von 1980. Später wirkte er als Trainer, Funktionär und Kommentator und gilt als einer der profiliertesten Kenner der Szene.

Was ist die Vierschanzentournee?
Die Vierschanzentournee ist eines der prestigeträchtigsten Wettbewerbe im Skispringen. Sie findet jährlich rund um den Jahreswechsel in Deutschland und Österreich statt und umfasst vier Springen.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

OZD-Extras

Der sogenannte „Tournee-Fluch“ ist kein offizieller Begriff – aber längst Teil der Skisprung-Folklore in Deutschland.