Die aktuellen Zahlen der KKH machen betroffen – und sie werfen ein grelles Licht auf eine stille Krise: Essstörungen unter jungen Mädchen haben sich seit Beginn der Corona-Pandemie dramatisch ausgeweitet. Während im Jahr 2019 noch 101 von 10.000 Versicherten im Alter von zwölf bis 17 Jahren betroffen waren, waren es 2023 bereits 150. Diese fast 50-prozentige Zunahme zeigt: Die psychische Gesundheit von Jugendlichen leidet weiterhin unter den Nachwirkungen der Pandemie – verstärkt durch digitale Einflüsse.
Besorgniserregend ist, dass sich diese Entwicklung fast ausschließlich auf junge Mädchen konzentriert. Bei gleichaltrigen Jungen blieb die Zahl nahezu konstant. Die Ursachen sind vielschichtig, doch ein wiederkehrendes Muster ist laut Krankenkasse klar zu erkennen: Der Druck durch soziale Medien. Plattformen wie Tiktok und YouTube verstärken ein Schönheitsideal, das für viele Jugendliche unerreichbar ist. Algorithmen spülen immer neue „Challenges“, Diät-Tipps und idealisierte Körperbilder in die Feeds – begleitet von subtilen oder offenen Botschaften, dass Abweichung von der Norm ein Makel sei.
Was folgt, ist nicht selten der Beginn einer lebensgefährlichen Spirale: Magersucht, Bulimie und Binge Eating greifen tief in das Selbstbild und die Alltagsrealität der Betroffenen ein. Die KKH unterscheidet dabei drei Hauptformen von Essstörungen – mit jeweils dramatischen Folgen: Von extremem Untergewicht über Selbstverletzung bis zu Suizidgedanken. Gleichzeitig fehlen vielerorts spezialisierte Therapieplätze, Wartezeiten sind lang, das Hilfesystem überlastet.
Die Zahlen der KKH beruhen auf einer Auswertung anonymisierter Versicherungsdaten zwischen 2019 und 2023 – und sie zeigen: Hochgerechnet waren im vergangenen Jahr rund 460.000 Menschen in Deutschland von einer Essstörung betroffen. Ein Anstieg von neun Prozent gegenüber 2019 – aber mit einer besonders ausgeprägten Dynamik bei jungen Mädchen.
Diese Entwicklung ist ein Weckruf: Es braucht gezielte Prävention in Schulen, eine bessere digitale Medienbildung, gesellschaftlichen Druck auf Plattformbetreiber – und vor allem: mehr Raum für echte Vielfalt jenseits künstlicher Ideale. Denn ein Mädchen, das sich selbst als „nie gut genug“ empfindet, braucht keine neuen Filter – sondern ehrliche Anerkennung, psychologische Unterstützung und Schutz vor schädlichem Einfluss.
OZD
Infografik: Essstörungen bei 12- bis 17-jährigen Mädchen (2019–2023)
Anstieg der Fälle pro 10.000 Versicherte:
2019: 101 Fälle
2023: 150 Fälle
Zunahme: +48,5 %
Vergleich mit gleichaltrigen Jungen:
2019: 34 Fälle
2023: 36 Fälle
Zunahme: +5,9 %
Hochrechnung auf Deutschland (2023):
Diagnostizierte Essstörungen: ca. 460.000 Menschen
Davon Mädchen 12–17 Jahre: ca. 34.500 (7,5 %)
Hauptursachen laut KKH:
Soziale Medien: Plattformen wie TikTok und YouTube fördern unrealistische Schönheitsideale.
Selbstoptimierungstrends: Bewegungen wie „Skinny Girl Mindset“ oder „That Girl“ setzen Jugendliche unter Druck.
Vergleichsdruck: Ständige Vergleiche mit inszenierten Bildern führen zu Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper
Formen von Essstörungen:
Anorexia nervosa (Magersucht): Extremes Hungern aus Angst vor Gewichtszunahme.
Bulimia nervosa (Ess-Brech-Sucht): Essattacken mit anschließendem Erbrechen oder Abführmittelmissbrauch.
Binge-Eating-Störung: Wiederholte unkontrollierbare Essanfälle ohne kompensatorisches Verhalten.
Fazit:
Die Daten zeigen einen besorgniserregenden Trend bei jungen Mädchen. Es ist dringend erforderlich, präventive Maßnahmen zu ergreifen, Medienkompetenz zu fördern und betroffenen Jugendlichen sowie ihren Familien Unterstützung anzubieten.
OZD/AFP
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