Der Bundestag hat am Freitag ein zentrales migrationspolitisches Vorhaben der neuen Bundesregierung beschlossen: Für zunächst zwei Jahre wird der Familiennachzug für Geflüchtete mit sogenanntem subsidiären Schutzstatus ausgesetzt. Das Gesetz erhielt 444 Ja-Stimmen bei 135 Gegenstimmen – getragen von CDU/CSU, SPD und AfD. Grüne und Linke stimmten geschlossen dagegen.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) verteidigte das Gesetz als Maßnahme zur Entlastung der Integrationssysteme und zur Bekämpfung krimineller Schleppernetzwerke. Die bisherige Regelung sei ein „Pull-Faktor“ gewesen, der illegale Migration begünstigt habe. Künftig soll der Nachzug nur noch in Härtefällen möglich sein – etwa bei schwerer Krankheit oder unbegleiteten Minderjährigen.
Die Debatte im Bundestag war emotional. Linken-Abgeordnete Clara Bünger sprach von „grausamer Symbolpolitik“, Grünen-Politiker Marcel Emmerich nannte das Gesetz „unbarmherzig“. Grünen-Chef Felix Banaszak warf Union und SPD vor, Verantwortung und Menschlichkeit zu vernachlässigen.
Auch innerhalb der SPD gab es Kritik. Zwei Abgeordnete stimmten gegen das Gesetz, andere äußerten sich mit Bauchschmerzen. „Das ist ein Thema, das sich die SPD so nicht ausgedacht hätte“, sagte Sebastian Fiedler. Integrations-Staatsministerin Natalie Pawlik betonte, dass Ausnahmen vorgesehen seien – dennoch falle die Zustimmung vielen schwer.
Die AfD stimmte dem Gesetz zu, kritisierte es aber als unzureichend. Es handle sich um „symbolische Migrationspolitik im Kleinformat“, so Christian Wirth.
OZD-Kommentar Die Aussetzung des Familiennachzugs ist ein politischer Dammbruch – nicht nur wegen der inhaltlichen Tragweite, sondern auch wegen der Mehrheitsverhältnisse. Dass SPD und AfD erstmals gemeinsam für ein Gesetz stimmen, dürfte parteiintern wie gesellschaftlich nachhallen. Trotzdem bleibt es richtig, den Familiennachzug zu stoppen, um die Sozialsysteme zu entlasten. ozd
Wer durfte nachziehen?
Je nach Schutzstatus der in Deutschland lebenden Person unterscheidet sich die Rechtslage:
1. Anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte (§ 25 Abs. 1 & 2 AufenthG)
Ehegatt*in
Minderjährige, ledige Kinder
Eltern minderjähriger Geflüchteter
Anspruch bestand grundsätzlich automatisch (nach Prüfung, ob keine „außergewöhnlichen Härten“ oder Sicherheitsbedenken vorliegen).
2. Subsidiär Schutzberechtigte (§ 25 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 AufenthG)
Familiennachzug war nicht automatisch möglich, sondern:
Kontingentiert: Seit August 2018 durften jährlich bis zu 1.000 Familienangehörige pro Monat nachziehen.
Antrags- und Auswahlverfahren: Das Auswärtige Amt wählte Fälle anhand von Kriterien wie Dringlichkeit, Härte oder Kinderbetreuung aus.
Voraussetzungen für den Nachzug
Nachweis der familiären Beziehung (Heiratsurkunde, Geburtsurkunden)
Gültige Reisedokumente (Pass etc.)
Antragstellung aus dem Ausland (meist über deutsche Auslandsvertretungen)
In der Regel: Sicherstellung des Lebensunterhalts und ausreichender Wohnraum → Diese Voraussetzungen entfallen bei anerkannten Flüchtlingen in den ersten 3 Jahren.
Die Herausforderungen bei der Identitätsprüfung
1. Fehlende oder gefälschte Dokumente In vielen Herkunftsländern von Geflüchteten – etwa in Bürgerkriegsländern wie Syrien, Somalia oder Afghanistan – sind Melderegister zerstört oder nicht vertrauenswürdig. Ergebnis: Geburts- oder Heiratsurkunden fehlen, sind unvollständig oder leicht fälschbar.
2. Unterschiedliche Namenssysteme und Transliteration Viele Staaten verwenden keine standardisierten Schreibweisen von Namen (z. B. arabisch, paschtunisch), was zu Verwirrung und Unschärfe führt. Dies erschwert die Verknüpfung von Daten aus Ausländerakten, Passdokumenten und Anträgen.
3. Keine zentrale Datenbank für internationale Identitäten Es gibt keine globale, verlässliche Plattform, um Angaben zu Ehepartnern oder Kindern zu überprüfen. Deutschland ist auf Kooperation mit den jeweiligen Botschaften oder Behörden angewiesen – was häufig an fehlender Infrastruktur oder politischen Gründen scheitert.
Besondere Regelungen & Ausnahmen
Härtefallregelung: Bei besonderer Schutzbedürftigkeit (z. B. Krankheit, Minderjährigkeit) kann auch außerhalb der Kontingente nachgezogen werden.
Dublin-Verfahren: Wenn Angehörige in anderen EU-Ländern Asyl beantragt haben, kann dies Auswirkungen auf die Zuständigkeit haben.
Biographien und Institutionen – Alexander Dobrindt: Bundesinnenminister (CSU), treibende Kraft hinter dem Gesetz. – Clara Bünger: Linken-Abgeordnete, fluchtpolitische Sprecherin, scharfe Kritikerin der Vorlage. – Natalie Pawlik: SPD-Staatsministerin für Integration, verteidigt das Gesetz mit Verweis auf Ausnahmen. – Christian Wirth: AfD-Abgeordneter, sieht das Gesetz als ersten Schritt, aber nicht als Lösung.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP