Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hat dem Iran nach dem bevorstehenden Wiederinkrafttreten der UN-Sanktionen neue Verhandlungen angeboten. In einer Rede vor der UN-Vollversammlung in New York erklärte Wadephul: „Wir bleiben offen für Verhandlungen über eine neue Vereinbarung. Die Diplomatie kann und sollte weitergehen.“
Am Freitag war im UN-Sicherheitsrat ein von Russland und China eingebrachtes Resolutionspapier zur Verlängerung der Frist vor dem Inkrafttreten der Sanktionen abgelehnt worden. Damit traten die UN-Sanktionen gegen Teheran am Samstag um 18.00 Uhr US-Ostküstenzeit (Sonntag 02.00 Uhr MESZ) wieder in Kraft.
Wadephul betonte, dass die sogenannten E3-Staaten – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – wegen der Verstöße des Iran gegen das Atomabkommen von 2015 „keine andere Wahl“ gehabt hätten, als den „Snapback-Mechanismus“ zu aktivieren. Dieser Mechanismus sieht vor, dass die zuvor aufgehobenen UN-Sanktionen binnen 30 Tagen wieder in Kraft gesetzt werden.
Kurz vor Wadephuls Rede hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow den Westen scharf kritisiert. Das Scheitern des russisch-chinesischen Resolutionsentwurfs zeige, dass der Westen den Versuch konstruktiver Lösungen sabotieren wolle. Der Entwurf sah vor, die Verhandlungsfrist bis April zu verlängern; neun der 15 Mitglieder des Sicherheitsrats lehnten dies ab.
Nach Einschätzung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) ist der Iran das einzige Land ohne eigene Atomwaffen, das Uran auf 60 Prozent anreichert. Für die Herstellung von Atomsprengköpfen ist eine Anreicherung auf 90 Prozent notwendig; zur Stromerzeugung genügt eine Anreicherung auf 3,67 Prozent. Teheran betont jedoch, dass sein Atomprogramm ausschließlich zivile Zwecke verfolge.
Das Abkommen von 2015 sollte den Bau von Atombomben durch den Iran verhindern. Nach dem einseitigen Ausstieg der USA 2018 unter Präsident Donald Trump stieg Teheran schrittweise aus dem Abkommen aus, was die internationale Kontrolle des Atomprogramms erheblich erschwerte.
OZD / ©AFP
OZD-Kommentar
Die neue Gesprächsofferte Deutschlands an den Iran ist ein notwendiger, aber riskanter Schritt. Wadephul signalisiert Verhandlungsbereitschaft, während gleichzeitig die UN-Sanktionen wirksam werden. Prognose: Ohne entschlossenes diplomatisches Vorgehen wird Teheran die Zeit nutzen, sein Atomprogramm weiter auszubauen. Die Balance zwischen Druck und Dialog bleibt fragil – und die internationale Sicherheitslage angespannt wie seit Jahren nicht.
Lesermeinungen
„Es ist richtig, dass Deutschland Verhandlungen anbietet, aber Sanktionen müssen konsequent bleiben. Sonst verliert die Diplomatie jede Glaubwürdigkeit.“ – Ulrich Steiner, Berlin
„Der Iran hat das Atomabkommen gebrochen, und wir dürfen nicht nachgeben. Sanktionen und Gesprächsangebote müssen Hand in Hand gehen.“ – Leila Farhadi, Frankfurt
OZD-Analyse
Hintergrund und Mechanismus
a) Snapback-Mechanismus aktiviert die früher aufgehobenen UN-Sanktionen
b) Sanktionen treten automatisch in Kraft, sobald ein Resolutionsversuch scheitert
c) Ziel: Druck auf den Iran erhöhen, um weitere Verstöße zu verhindern
Politische Dynamik
– Russland und China versuchen, die Frist für Verhandlungen zu verlängern
– E3-Staaten setzen auf Druck, um Iran zurück an den Verhandlungstisch zu bringen
– Diplomatie bleibt zugleich offen, um Eskalation zu vermeiden
Technische und strategische Lage
a) Urananreicherung auf 60 Prozent gefährdet die Nichtverbreitungspolitik
b) Iran betont zivilen Charakter, dennoch bleibt Skepsis hoch
c) Historische Ausgangslage: US-Ausstieg 2018 verschärfte Kontrolle und Misstrauen
OZD-Erklärungen
Wer ist Johann Wadephul?
CDU-Politiker und Bundesaußenminister, zuständig für internationale Diplomatie und Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland.
Was ist der Snapback-Mechanismus?
Ein Mechanismus im Atomabkommen von 2015, der die Wiederin-Kraft-Setzung aufgehobener UN-Sanktionen gegen den Iran erlaubt, falls das Land gegen Vereinbarungen verstößt.
Was ist die IAEA?
Die Internationale Atomenergiebehörde überwacht die Nutzung von Kernenergie weltweit und prüft, ob Länder sich an internationale Abkommen halten.
Prognose: Der Druck auf Teheran wird zunehmen, während diplomatische Kanäle offenbleiben. Ohne konsequente Umsetzung der Sanktionen droht eine weitere Eskalation des Atomstreits – die Gefahr einer atomaren Bewaffnung bleibt latent und global hochbrisant.
OZD
Alle Angaben ohne Gewähr.
Titelbild: AFP.