Im eskalierenden Konflikt um das iranische Atomprogramm haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien – die sogenannte E3-Gruppe – die Drohungen gegen den Generaldirektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, scharf verurteilt. Auslöser war ein Artikel der ultra-konservativen iranischen Zeitung „Kayhan“, die Grossi als „Spion des zionistischen Regimes“ bezeichnete und offen seine Hinrichtung forderte. Die Zeitung gilt als Sprachrohr der iranischen Führung.
Die Außenminister Johann Wadephul (Deutschland), Jean-Noël Barrot (Frankreich) und David Lammy (Großbritannien) forderten den Iran am Montag auf, die Sicherheit des IAEA-Personals zu gewährleisten und die vollständige Zusammenarbeit mit der Atomenergiebehörde unverzüglich wieder aufzunehmen. „Wir fordern die iranischen Behörden auf, von Schritten abzusehen, die die Zusammenarbeit mit der IAEA beenden könnten“, erklärten sie gemeinsam.
Irans Präsident Massud Peseschkian verteidigte das Vorgehen seines Landes und warf dem IAEA-Chef „destruktives Verhalten“ vor. Vize-Außenminister Madschid Tacht-Rawantschi verlangte, die USA müssten weitere Bombenangriffe auf den Iran ausschließen, bevor neue diplomatische Gespräche möglich seien. Der iranische UN-Botschafter Amir Saeid Iravani betonte, es gebe „keine Bedrohung“ gegen Grossi oder die Inspektoren, sie seien im Iran sicher.
Die Lage ist angespannt: Nach israelischen Angriffen auf iranische Atom- und Militäranlagen und Gegenschlägen des Iran kam es zu schweren Verlusten auf beiden Seiten. Mindestens 935 Menschen wurden im Iran getötet, in Israel 28. Die Waffenruhe vom 24. Juni brachte eine vorläufige Entspannung, doch die Fronten bleiben verhärtet. Grossi fordert weiterhin Zugang zu den beschädigten Anlagen, um die Bestände an angereichertem Uran zu überprüfen – Teheran verweigert dies.
US-Präsident Donald Trump verschärfte die Rhetorik und erklärte, er werde nicht mit dem Iran verhandeln, „bis wir ihre Atomanlagen völlig ausgelöscht haben“. Die iranische Seite fordert hingegen, weiter Uran anreichern zu dürfen, ist aber grundsätzlich zu Gesprächen über das Niveau und die Kapazität bereit. ozd
OZD-Kommentar
Die Drohungen gegen IAEA-Chef Grossi markieren einen neuen Tiefpunkt im Atomstreit mit dem Iran. Die klare Positionierung der E3-Staaten unterstreicht, wie wichtig internationale Kontrolle und Schutz für unabhängige Inspektoren sind. Die Eskalation zeigt, wie brüchig das Vertrauen zwischen Iran und dem Westen ist – und wie sehr die Welt auf einen neuen diplomatischen Anlauf angewiesen ist.
OZD-Analyse
Vertiefung wichtiger Aspekte: Die Sicherheit internationaler Inspektoren ist zentral für jede nukleare Kontrolle. Drohungen gegen die IAEA gefährden nicht nur Einzelpersonen, sondern das gesamte System der Nichtverbreitung von Atomwaffen.
Szenarien: Sollte die Zusammenarbeit mit der IAEA weiter eingeschränkt werden, droht eine neue Eskalation im Atomstreit. Eine Rückkehr an den Verhandlungstisch ist nur möglich, wenn beide Seiten Zugeständnisse machen.
Auswirkungen und Entwicklungen: Die aktuelle Krise könnte zu einem weiteren Bruch zwischen Iran und dem Westen führen. Gleichzeitig wächst der Druck auf alle Beteiligten, eine diplomatische Lösung zu finden und die Kontrolle über Irans Atomprogramm zu sichern.
Erklärungen
IAEA (Internationale Atomenergiebehörde): UN-Organisation zur Überwachung der friedlichen Nutzung von Atomenergie und zur Kontrolle von Atomwaffenprogrammen.
E3-Gruppe: Bezeichnung für die drei europäischen Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die gemeinsam in internationalen Krisen vermitteln.
Urananreicherung: Prozess, bei dem Uran für die Nutzung in Kernkraftwerken oder – bei hoher Anreicherung – für Atomwaffen vorbereitet wird.
Nichtverbreitung: Internationale Bemühungen, die Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern.
Biographien und Institutionen
Rafael Grossi: Generaldirektor der IAEA, Argentinier, setzt sich für internationale Kontrolle und Transparenz ein.
Johann Wadephul: Bundesaußenminister, CDU, engagiert in internationalen Sicherheitsfragen.
Jean-Noël Barrot: Französischer Außenminister, bekannt für diplomatische Vermittlung.
David Lammy: Britischer Außenminister, erfahrener Diplomat.
Massud Peseschkian: Präsident des Iran, steht für eine harte Linie im Atomstreit.
Madschid Tacht-Rawantschi: Vize-Außenminister des Iran, zuständig für internationale Verhandlungen.
Kayhan: Ultra-konservative iranische Zeitung, Sprachrohr der Regierung.
IAEA: Internationale Atomenergiebehörde mit Sitz in Wien, überwacht Atomprogramme weltweit.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP