Die europäischen Außenminister haben nach einem gemeinsamen Treffen mit dem iranischen Chefdiplomaten Abbas Araghtschi ein deutliches Signal ausgesendet: Der Iran soll nicht nur mit der EU, sondern auch mit den Vereinigten Staaten verhandeln – und zwar sofort. „Wir drängen den Iran, seine Gespräche mit den USA fortzusetzen“, erklärte der britische Außenminister David Lammy am Freitagabend in Genf. An der Seite seiner Kollegen aus Deutschland, Frankreich und der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas sprach Lammy von einem „kritischen Moment“ in der Region.
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) bezeichnete die Beratungen mit Araghtschi als „sehr ernsthafte Gespräche“. Er lobte die Gesprächsbereitschaft Teherans, machte jedoch unmissverständlich klar, dass eine Lösung nur mit Beteiligung der USA möglich sei. „Das gute Ergebnis heute ist, dass wir den Raum verlassen mit dem Eindruck, dass die iranische Seite grundsätzlich bereit ist, über alle wichtigen Fragen weiter zu sprechen.“ Die USA müssten nun „unbedingt“ einbezogen werden, betonte Wadephul. „Vor allen Dingen ist von großer Bedeutung, dass die Vereinigten Staaten von Amerika an diesen Verhandlungen und einer Lösung beteiligt werden.“
Besorgt äußerte sich der deutsche Außenminister insbesondere über das iranische Atomprogramm, das weiterhin als größte Gefahr für die regionale Stabilität gilt. Gleichzeitig betonte Wadephul, dass „für Deutschland von herausragender Bedeutung ist, dass die Sicherheitsinteressen des Staates Israel gewahrt bleiben“.
Seit dem Großangriff Israels auf iranische Atomanlagen und militärische Einrichtungen vor einer Woche befindet sich die Region in einem Zustand akuter militärischer Eskalation. Der Iran reagiert seitdem mit einer Serie von Raketen- und Drohnenangriffen auf israelisches Territorium. Die Sorge vor einer weiteren Ausweitung des Konflikts ist in Europa groß.
Die Gespräche in Genf sind Teil eines letzten diplomatischen Versuchs der Europäer, zwischen Teheran und Washington zu vermitteln. Wie aus Kreisen des Auswärtigen Amts verlautet, könnten in den kommenden Tagen weitere Vermittlungsgespräche folgen – wenn sich beide Seiten bewegen.
OZD
OZD-Kommentar Europa Zahnlos
Die Geduld Europas ist nicht unendlich – aber ihre Diplomatie ist es
offenbar. Während der Iran Israel mit Raketen beschießt, fordert man in
Genf Geduld und Gesprächsbereitschaft. Natürlich ist ein diplomatischer
Ausweg notwendig, keine Frage. Aber wie viele Raketensalven, Tote und
zerstörte Städte braucht es noch, bis man erkennt, dass Teheran
systematisch auf Zeit spielt? Der Ruf nach Gesprächen mit den USA ist
richtig, aber längst überfällig. Wer wirklich Druck ausüben will, muss
Konsequenzen ankündigen – nicht Appelle formulieren. Europa darf nicht
länger der zahnlose Vermittler zwischen zwei Feuerfronten sein, sondern
muss klare Bedingungen und rote Linien formulieren. Auf Europa hört doch sonst niemand mehr, weder Israel, noch die USA und der Iran wowieso nicht, wenn keine Konsequenzen gezogen werden. Europa ist eher zahnlos und willenlos!
Standing ist gefragt, in einer Welt voller falscher Freunde und Feinde.
Wer ist Abbas Araghtschi?
Abbas Araghtschi ist ein erfahrener iranischer Diplomat und aktuell
stellvertretender Außenminister sowie Chefunterhändler des Landes in
Atomfragen. Der studierte Politikwissenschaftler und Theologe spielte
bereits beim Atomabkommen von 2015 (JCPOA) eine Schlüsselrolle.
Araghtschi gilt als einflussreiche, aber auch vorsichtige Stimme
innerhalb des iranischen Regimes und agiert oft zwischen den Interessen
des Präsidenten und der religiösen Führung.
Was ist das Genfer Außenminister-Treffen?
Das Treffen in Genf war eine kurzfristig einberufene diplomatische
Krisensitzung zwischen den Außenministern Deutschlands, Frankreichs,
Großbritanniens und der EU mit dem iranischen Chefdiplomaten. Ziel war
es, einen diplomatischen Ausweg aus dem eskalierenden Krieg zwischen
Israel und dem Iran zu finden. Solche Formate dienen dazu, Verhandlungen
auf hochrangiger Ebene vorzubereiten und Gesprächsbereitschaft zu
testen – sie ersetzen jedoch keine formalen Friedensgespräche.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP
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