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Xi inszeniert Machtgipfel: Schulterschluss mit Modi und Putin in Tianjin

In Tianjin demonstrieren Xi Jinping, Wladimir Putin und Narendra Modi beim Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit Stärke. Für Putin ist es eine seltene Gelegenheit zur internationalen Legitimation.

China hat am Sonntag ein geopolitisches Signal der Stärke ausgesendet: In Tianjin empfing Staatschef Xi Jinping den russischen Präsidenten Wladimir Putin, Indiens Regierungschef Narendra Modi sowie weitere Verbündete zum Gipfel der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Die zweitägige Konferenz, die bis Montag andauert, gilt als das größte Treffen des Bündnisses seit seiner Gründung 2001.

In einem bilateralen Gespräch mit Modi sprach Xi von der Vision, Indien und China sollten "Partner anstatt Rivalen" sein. Modi wiederum betonte den Willen zu "gegenseitigem Vertrauen, Würde und Einfühlsamkeit". Für beide Staaten, die sich seit Jahren in erbitterter Rivalität gegenüberstehen, markiert dies eine bemerkenswerte Annäherung.

Auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko führte Xi direkte Gespräche. Für Putin, international weitgehend isoliert, bot der Gipfel eine Bühne, um enge Verbindungen zu pflegen und seine Präsenz auf der Weltbühne zu behaupten.

Die SOZ, der neben China, Russland und Indien auch Iran, Pakistan, Belarus und vier zentralasiatische Staaten angehören, versteht sich als Gegengewicht zu westlichen Allianzen wie der NATO. Sie dient Peking und Moskau zur Festigung ihrer Netzwerke in Asien.

Die Sicherheitsvorkehrungen in Tianjin waren massiv: weiträumige Sperrungen, tausende Polizisten und schwer gesicherte Zufahrtsstraßen. Modi nutzte den Gipfel zudem, um ein bilaterales Treffen mit Putin vorzubereiten. Vorab hatte er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert und "die Bemühungen um Frieden und Stabilität" betont.

Indien positioniert sich damit einmal mehr als Mittler zwischen den Fronten. Das Land hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bisher nicht verurteilt, sondern wahrt enge Handels- und Rüstungsbeziehungen zu Moskau. Auch China gibt sich offiziell neutral, unterstützt aber faktisch den russischen Kurs.

Analysten sehen im Treffen einen klaren Vorteil für Putin. "Er braucht die Bühne der SOZ, um Stärke zu zeigen – und Chinas Rückendeckung, um nicht völlig ins Abseits zu geraten", erklärte Ostasien-Experte Lim Tai von der japanischen Soka-Universität.

Am Mittwoch steht bereits der nächste symbolische Höhepunkt an: In Peking will Xi eine gewaltige Militärparade zum 80. Jahrestag der japanischen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg abhalten – mit Putin und mehr als 20 weiteren Staats- und Regierungschefs, darunter Nordkoreas Kim Jong Un, in der ersten Reihe.

OZD


OZD-Kommentar

Das Gipfeltreffen in Tianjin ist nichts weniger als eine Machtdemonstration gegen den Westen. Xi präsentiert sich als Brückenbauer, Putin als Überlebenskünstler im internationalen Abseits, und Modi nutzt das Forum, um seine Sonderrolle zwischen den Lagern auszubauen. Doch hinter den Kulissen bleibt das Bündnis fragil: Indien misstraut China zutiefst, Erdogan verfolgt eigene Machtspiele, und selbst Putins Position ist nicht unumstritten. Dennoch sendet die SOZ ein gefährliches Signal: Eine Allianz der autoritären Mächte, die bereit ist, westliche Strukturen herauszufordern. Wer das Treffen als bloße Show abtut, verkennt die tektonischen Verschiebungen in der Weltordnung.


Lesermeinungen

"Xi baut ein Gegenlager zur NATO auf – das sollte Europa endlich ernster nehmen." – Thomas Krund, München
"Modi spielt ein doppeltes Spiel, aber am Ende wird er weder China noch Russland wirklich trauen." – Anjali Paulsen, Frankfurt
"Putin bekommt durch solche Treffen eine Bühne, die er eigentlich längst verloren haben sollte." – Jens Renn, Köln


OZD-Analyse

Bedeutung des Gipfels
– Putin erhält internationale Bühne trotz Isolation
– Xi positioniert China als Führungsmacht Asiens
– Indien signalisiert Dialogbereitschaft, wahrt aber seine Unabhängigkeit

Risiken und Bruchlinien
– China und Indien bleiben Rivalen, trotz versöhnlicher Rhetorik
– Erdogan verfolgt eigene Ziele in Nahost und Ukraine-Konflikt
– Unterschiedliche Wirtschaftsinteressen innerhalb der SOZ

Ausblick
– Militärparade in Peking als nächste Machtdemonstration
– Wachsende Gefahr einer Blockbildung zwischen Westen und SOZ
– Indien könnte Schlüsselrolle als "Zünglein an der Waage" zukommen

OZD-Erklärungen

Was ist die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ)?
Die 2001 gegründete SOZ ist ein Zusammenschluss eurasiatischer Staaten mit dem Ziel, wirtschaftliche, politische und sicherheitspolitische Kooperation zu fördern. Mitglieder sind China, Russland, Indien, Pakistan, Iran, Belarus sowie Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Usbekistan. Die Organisation wird von westlichen Beobachtern häufig als Gegengewicht zur NATO gesehen, dient aber auch wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Interessen der Mitgliedsstaaten.

Wer ist Xi Jinping?
Xi Jinping ist seit 2012 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und seit 2013 Präsident der Volksrepublik. Er gilt als mächtigster chinesischer Staatschef seit Mao Zedong. Xi verfolgt eine expansive Außenpolitik, strebt nach globalem Einfluss Chinas und hat innenpolitisch eine autoritäre Linie etabliert, die kaum Raum für Opposition lässt.

Wer ist Narendra Modi?
Narendra Modi ist seit 2014 Premierminister Indiens und Vorsitzender der hindu-nationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP). Er gilt als einer der einflussreichsten Politiker Asiens, wird im Westen für seine wirtschaftsfreundliche Politik geschätzt, steht aber auch wegen autoritärer Tendenzen und Einschränkungen von Minderheitenrechten in der Kritik.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.