In Tianjin inszenierte sich Wladimir Putin am Montag als Spieler auf der großen Bühne der Diplomatie. Am Rande des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) traf der russische Präsident gleich zwei zentrale Akteure: den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan und Indiens Premierminister Narendra Modi. Mit Erdogan würdigte Putin die Rolle der Türkei als Vermittler im Ukraine-Krieg. „Ich bin zuversichtlich, dass die besondere Rolle der Türkei in diesen Angelegenheiten weiterhin gefragt sein wird“, sagte er bei dem Treffen. Mit Modi zeigte Putin sich demonstrativ vertraut – die beiden Politiker fuhren sogar gemeinsam im Auto zum Gespräch.
Modi hatte bereits in seiner Rede beim Gipfel die „spezielle und privilegierte strategische Partnerschaft“ mit Russland hervorgehoben. Indien und Russland hätten „selbst in den schwierigsten Situationen Seite an Seite“ gestanden, erklärte Modi. Die enge Zusammenarbeit sei nicht nur für die beiden Länder, sondern auch für „weltweiten Frieden, Stabilität und Wohlstand“ entscheidend. Chinas Präsident Xi Jinping eröffnete das Gipfeltreffen, zu dem mehr als 20 Staats- und Regierungschefs erschienen – unter ihnen auch Irans Präsident Massud Peseschkian, der ebenfalls mit Putin zusammentreffen sollte.
Während die Türkei und Indien ihre Vermittlerrollen betonen, bleibt die Realität des Krieges bestehen: Drei Gesprächsrunden in Istanbul brachten bislang keine Lösung, ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht. Dennoch sucht Putin sichtbar Rückhalt – und inszeniert das Bild eines Russland, das trotz Isolation Partner an seiner Seite weiß. OZD / ©AFP
OZD-Kommentar
Putins Auftritt in Tianjin ist mehr als ein diplomatischer Routinebesuch – es ist ein Signal an den Westen: Russland ist nicht allein. Indien und die Türkei geben Moskau eine Bühne, die der Kreml dringend braucht. Modi spricht von strategischer Partnerschaft, Erdogan vom Vermittlerstatus. Doch was bleibt davon, wenn in der Ukraine weiter geschossen wird? Die Treffen wirken wie eine große Inszenierung, die zeigen soll: Russland hat Freunde. In Wahrheit aber sind es Partner auf Distanz, die ihre eigenen Interessen verfolgen. Für die Ukraine bedeutet das: Der Krieg bleibt internationalisiert, aber ohne echte Lösungsperspektive. Putins Bilder aus Tianjin täuschen Nähe vor, doch am Ende zählt nur: Der Krieg geht weiter.
Drei Lesermeinungen:
„Wenn Putin und Modi im selben Auto fahren, fährt die Weltgeschichte rückwärts.“ P. Stamp, Gelsenkirchen
„Erdogan als Friedensengel, Modi als Partner – klingt eher nach einem diplomatischen Maskenball.“ Barbara Lechner, Grevenbroich
„SOZ-Gipfel: viel Tee, viele Fotos, null Fortschritt.“ A.Klein, Düsseldorf
OZD-Analyse
Treffen Putins am Rande des SOZ-Gipfels
a) Bilaterales Gespräch mit Erdogan – Schwerpunkt Ukraine-Krieg, Vermittlungsrolle der Türkei.
b) Treffen mit Modi – Betonung der „strategischen Partnerschaft“, gemeinsamer Auftritt.
c) Geplantes Treffen mit Irans Präsident Peseschkian – auch Atomprogramm auf Agenda.
Rolle der Türkei
a) Seit 2022 als Vermittler im Ukraine-Krieg aktiv.
b) Bisher drei Gesprächsrunden in Istanbul zwischen Russland und Ukraine.
c) Fortschritte nur auf humanitärer Ebene, keine politische Lösung.
Rolle Indiens
a) Enge Beziehungen zu Russland trotz westlicher Annäherung.
b) Keine Verurteilung der Invasion, sondern Vermittlungsangebote.
c) Telefonat mit Selenskyj vor wenigen Tagen – Indien signalisiert Neutralität.
Wahrscheinliche Zukunftsprognose: Russland wird seine Beziehungen zu Türkei, Indien und Iran weiter nutzen, um die eigene Isolation abzufedern. Doch ein Durchbruch im Ukraine-Krieg bleibt unwahrscheinlich.
OZD-Kurzprognose: Putins Strategie setzt auf Symbolik und Partnerschaften, die seine internationale Isolation kaschieren sollen. Realpolitisch ändert sich am Kriegsverlauf wenig.
Faktensammlung:
Ort: Tianjin, China
Veranstaltung: SOZ-Gipfel (Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit)
Teilnehmer: über 20 Staats- und Regierungschefs
Treffen: Putin mit Erdogan, Modi, Peseschkian
Zitat Erdogan: besondere Rolle der Türkei im Ukraine-Krieg
Zitat Modi: „strategische Partnerschaft“ mit Russland
Ukraine-Krieg: seit Februar 2022, Millionen Geflüchtete, hunderttausende Tote und Verletzte
Bisherige Gespräche Russland-Ukraine in Istanbul: drei Runden, ohne Durchbruch
Chinas Präsident Xi Jinping: Gastgeber des Gipfels
OZD
Alle Angaben ohne Gewähr.
Titelbild AFP