Bundesaußenminister Johann Wadephul hat den in Washington erarbeiteten Entwurf eines US-Plans zur Beilegung des russischen Angriffskriegs ungewöhnlich deutlich heruntergestuft. Was aus den USA komme, sei „kein wirklicher Plan“, sagte der CDU-Politiker am Freitag in Brüssel, sondern lediglich „eine Auflistung“ von Punkten, die zwischen Kiew und Moskau diskutiert werden müssten. Es sei Aufgabe der Konfliktparteien, diese Inhalte zu definieren – nicht Washingtons.
Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die USA einen 28-Punkte-Vorschlag vorgelegt haben, der die geopolitische Landschaft Europas erschüttert. Nach AFP-Informationen soll die Ukraine demnach weitreichende Gebiete an Russland abtreten, darunter Regionen im Donbass, sowie ihre Armee auf 600.000 Soldaten begrenzen. Viele Formulierungen entsprechen offen russischen Forderungen, die Kiew stets kategorisch abgelehnt hat.
Die Empörung in Europa ist groß. Mehrere EU-Außenminister, darunter Wadephul, forderten am Donnerstag die uneingeschränkte Einbindung Europas in jede Friedenslösung. Am Abend telefonierte der Außenminister nach eigenen Angaben mit US-Sondergesandtem Steve Witkoff, ohne dass Details über das Gespräch publik wurden.
Trotz wachsender Sorge über einen amerikanischen Alleingang zeigte sich Wadephul bemüht, die Rolle Europas zu stärken. Vor einem Treffen mit indopazifischen Staaten sagte er, die EU sei „in einer starken Position“ – sowohl bei der europäischen Sicherheit als auch beim Schutz der Seehandelswege im Indopazifik. China und Russland versuchten, die globale Ordnung umzugestalten, warnte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas zum Auftakt des Forums. Wadephul betonte, Europa und seine Partner verbinde das gemeinsame Interesse, das internationale Recht zu verteidigen.
Beim EU-Indopazifikforum selbst stehen Sicherheit und Wirtschaftskooperation im Fokus – insbesondere angesichts Chinas wachsendem Einfluss in der Region. Für Wadephul ist klar: Europa müsse in beiden Weltregionen als geopolitischer Gestalter auftreten, nicht als Zuschauer.
OZD
OZD-Kommentar
Dieser US-Plan ist nicht nur fahrlässig – er ist eine politische Zumutung. Wenn ein Entwurf, der Kiews territoriale Integrität aufgibt und Moskaus Forderungen übernimmt, als „Friedensplan“ verkauft wird, dann verliert Diplomatie ihren moralischen Kompass. Wadephul hat Recht: Das Papier wirkt wie eine hastig zusammengestellte Checkliste, nicht wie ein ernsthafter Lösungsansatz. Washington riskiert, Europa zu marginalisieren und die Ukraine zu einer Wahl zwischen Würdeverlust und geopolitischem Alleingang zu zwingen. Und genau darin liegt die Gefahr: Wer einen Krieg beenden will, indem er die Position der angegriffenen Seite schwächt, stärkt am Ende nur den Aggressor. Wenn die USA wirklich Frieden wollen, müssen sie Europa an Bord holen – und Kiew nicht vorgefertigte Kapitulationslinien diktieren.
Mini-Infobox
US-Plan sieht Gebietsabtretungen der Ukraine an Russland vor
Wadephul nennt den Entwurf „keinen Plan, sondern eine Themenliste“
EU fordert stärkere Einbindung in Friedensverhandlungen
US-Sondergesandter Witkoff telefonierte mit Wadephul
Indopazifikforum thematisiert Chinas wachsende Macht
OZD-Analyse
OZD-Analyse
Bedeutung der Kritik aus Europa
– Die deutlichen Worte von Wadephul zeigen, wie sehr der US-Entwurf das transatlantische Vertrauen belastet.
– Viele EU-Staaten sehen die Gefahr, dass Washington ohne Rücksprache Fakten schafft.
– Ein Ausschluss Europas hätte gravierende Folgen für die Stabilität der Sicherheitsarchitektur.
Inhaltliche Schwächen des US-Plans
– a) Gebietsverluste –
– Der Entwurf übernimmt Kernforderungen Moskaus und stellt die Ukraine politisch ins Abseits.
– b) Militärische Begrenzungen –
– Eine drastische Reduktion der ukrainischen Armee würde die Abschreckungsfähigkeit zerstören.
– c) Ausschluss der NATO-Option –
– Der Verzicht auf eine Mitgliedschaft wäre eine dauerhafte geopolitische Schwächung.
Geopolitische Dimension
– Ein amerikanischer Alleingang sendet Signale an China und Russland, dass der Westen uneinig ist.
– Europa will im Indopazifik mitreden, während die USA die Ukrainefrage dominieren – ein Spannungsfeld mit Risiken.
– Die internationale Ordnung steht zwischen rivalisierenden Machtblöcken: Ein schwaches Europa wäre ein globales Problem.
Dabei handelt es sich um ein
28-Punkte-Papier aus Washington, das weitreichende Gebietsabtretungen
der Ukraine, militärische Begrenzungen und den Verzicht auf einen
NATO-Beitritt vorsieht. Kritiker sehen darin ein Entgegenkommen
gegenüber Russland.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Johann Wadephul ist
Bundesaußenminister der Bundesrepublik Deutschland. Der CDU-Politiker
gehört zu den prägenden außenpolitischen Stimmen Europas und fordert
eine stärkere Rolle der EU in internationalen Sicherheitsfragen.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.
Extra: Warum Alleingänge in Friedensverhandlungen gefährlich sind
Wenn Großmächte ohne Einbindung regionaler Partner handeln, entstehen
Lösungen, die instabil sind – und am Ende neue Konflikte provozieren.
Ein nachhaltiger Frieden in der Ukraine ist nur möglich, wenn Europa,
USA und die Ukraine gemeinsam entscheiden.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.