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Vor dem vierten Kriegswinter: Pistorius schlägt Alarm – NATO-Ministern reicht’s

Boris Pistorius verurteilt die russischen Angriffe auf die Energie-Infrastruktur der Ukraine scharf. Vor dem vierten Kriegswinter spricht er von „Menschenverachtung“ – und kündigt neue Milliardenhilfen für Kyjiw an.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat die jüngsten russischen Angriffe auf die ukrainische Energie-Infrastruktur mit drastischen Worten kritisiert. „Mehr Menschenverachtung ist kaum vorstellbar“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Wladimir Putin versuche erkennbar, den bevorstehenden vierten Kriegswinter für die Ukrainerinnen und Ukrainer „so unerträglich wie möglich zu machen“ und ihren Widerstand zu brechen.

„Das gelingt ihm nicht“, betonte Pistorius nach Gesprächen mit seinen europäischen Nato-Kollegen, warnte jedoch gleichzeitig vor massiven Verstößen gegen das Völkerrecht. Deutschland und die europäischen Partner der sogenannten E5-Gruppe stünden weiterhin fest an der Seite der Ukraine. Dem ukrainischen Ministerpräsidenten Denys Schmyhal sei erneut zugesichert worden, dass sich Kyjiw auf die Unterstützung Berlins verlassen könne.

Am Treffen in Berlin nahmen die französische Verteidigungsministerin Catherine Vautrin, ihre Amtskollegen Guido Crosetto aus Italien und John Healey aus Großbritannien sowie der polnische Staatssekretär Pawel Zalewski und EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas teil.

Pistorius verwies zudem auf das erhöhte Ukraine-Budget im kommenden Bundeshaushalt. Für 2026 plant Berlin rund 11,5 Milliarden Euro für Militärhilfe. Darüber hinaus werde Deutschland weitere Mittel in die sogenannte Priorisierte Anforderungsliste (Purl) investieren, die der Kauf von US-Waffen für die Ukraine ermöglicht. Bereits im Rahmen früherer Purl-Pakete hatte Deutschland beispielsweise Patriot-Systeme finanziert.

Frankreichs Verteidigungsministerin Vautrin forderte nach dem Treffen schärfere Sanktionen gegen Russland. Insbesondere müsse die russische Schattenflotte getroffen werden, mit der Moskau trotz westlicher Exportverbote weiterhin Öl exportiert. Seit Februar steht bereits mehr als ein Drittel dieser Schiffe auf der EU-Sanktionsliste.

Unterdessen betonte Bundesaußenminister Johann Wadephul, dass der Druck auf den Kreml weiter erhöht werden müsse. Russland zeige keinerlei Bereitschaft zu Verhandlungen und führe seinen Krieg mit Drohnen, Cyberangriffen und militärischer Härte fort.

OZD


OZD-Kommentar

In Wahrheit geht es längst nicht mehr nur um Stromleitungen, Transformatoren und Heizkraftwerke. Russland führt Krieg gegen die Lebensgrundlage einer ganzen Nation – und setzt auf die zynischste aller Waffen: den Winter. Wenn Pistorius von „Menschenverachtung“ spricht, dann ist das noch milde formuliert. Putins Strategie ist brutaler Psychoterror gegen eine erschöpfte Bevölkerung, die trotz aller Zerstörung nicht nachgibt.

Doch Europa hat ein Problem: Es reagiert, statt zu agieren. Während Russland systematisch die Energieversorgung der Ukraine ausschaltet, streiten europäische Regierungen über Finanzierungsmechanismen, Sanktionen und Lieferlisten. Die E5-Gruppe ist ein wichtiges Signal, aber kein Gamechanger. Die russische Schattenflotte operiert weiterhin im Windschatten der Sanktionen, verdient Milliarden und füllt die Kriegskassen des Kremls.

Deutschland stemmt Milliarden, ja. Aber solange Moskaus Kriegswirtschaft trotz Embargo weiterläuft und europäische Staaten sich über Details zerreiben, wird Putin seinen Kurs unbehelligt fortsetzen. Der vierte Kriegswinter kommt – und Europa muss endlich einen Schritt schneller sein als der Aggressor, nicht zwei Schritte langsamer.


Mini-Infobox

– Russlands Angriffe richten sich erneut gezielt gegen die Energie-Infrastruktur der Ukraine
– Deutschland plant 11,5 Milliarden Euro Ukraine-Hilfe für 2026
– E5-Gruppe koordiniert europäische Verteidigungsunterstützung
– EU hat bereits über 400 Schiffe der russischen Schattenflotte sanktioniert
– Patriot-Systeme für die Ukraine über Purl finanziert


OZD-Analyse

Russische Kriegsstrategie
a) Angriffe auf Energie-Infrastruktur als gezielte Winterwaffe zur Schwächung der Zivilgesellschaft

b) Massive Verstöße gegen humanitäres Völkerrecht

c) Ziel: psychologischer Druck, Zermürbung, Destabilisierung des ukrainischen Widerstands

Europäische Reaktion
– Deutschland und EU erhöhen Militärhilfe, besonders über Purl
– E5 als neue Koordinationsplattform, aber begrenzter struktureller Hebel
– Sanktionen gegen Schattenflotte greifen, bleiben jedoch unvollständig

Sanktionslücken und Risiken
a) Russland nutzt veraltete Tanker unter Fremdflaggen zur Umgehung des Öl-Embargos

b) Millionen-Einnahmen fließen trotz Sanktionen in die Kriegsfinanzierung

c) Gefahr: Mangelnde Sanktionsdurchsetzung untergräbt westliche Abschreckung

Erklärungen Wer ist Boris Pistorius?

Boris Pistorius ist seit Januar 2023 deutscher Bundesverteidigungsminister. Der SPD-Politiker gilt als einer der profiliertesten Sicherheitspolitiker Europas. Er treibt den Ausbau der Bundeswehr voran, stärkt die Unterstützung der Ukraine und hat 2024 die E5-Gruppe ins Leben gerufen, um europäische Verteidigungskooperation zu bündeln.

Was ist die E5-Gruppe?

Die E5-Gruppe („Group of Five“) wurde 2024 von Deutschland initiiert. Ihr gehören Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Deutschland an, unterstützt durch die EU. Ziel ist die engere Abstimmung bei Waffenlieferungen, Verteidigungsprojekten und militärischer Unterstützung der Ukraine.

Was ist die russische Schattenflotte?

Als Schattenflotte bezeichnet man hunderte ältere Schiffe, die Russland über Zwischenfirmen und Drittstaaten betreibt, um westliche Sanktionen und das Öl-Embargo zu umgehen. Viele fahren unter fremder Flagge, transportieren russisches Öl ohne ausreichende Versicherung und ermöglichen Moskau Milliardeneinnahmen.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

OZD-Extras

Bonusinfo: Die russische Schattenflotte gilt als eines der riskantesten maritimen Netzwerke weltweit – viele Schiffe sind technisch veraltet und drohen bei Unfällen riesige Umweltschäden anzurichten.