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Die Union will Wehrpflicht zurück - Ist das richtig?

Vor dem Koalitionsgipfel verschärft Markus Söder seine Kritik an Boris Pistorius’ Wehrdienst-Plänen. Auch der Wehrbeauftragte Otte hält das Freiwilligenmodell für untauglich – und fordert konkrete Schritte in Richtung einer neuen Wehrpflicht.

Berlin – Die Debatte um die Rückkehr der Wehrpflicht nimmt weiter Fahrt auf. Kurz vor dem Koalitionsgipfel am Mittwoch hat CSU-Chef Markus Söder den Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) scharf attackiert. „An der Wehrpflicht führt kein Weg vorbei“, sagte der bayerische Ministerpräsident der Bild am Sonntag. Das Freiwilligenmodell für die Bundeswehr nannte er eine „Wischiwaschi-Lösung“, die „niemandem hilft“.

In Zeiten großer Bedrohung könne Deutschland sich „keine Fragebogen-Armee“ leisten, warnte Söder. Die Sicherheit des Landes sei „massiv in Gefahr“. Nur eine Rückkehr zur verpflichtenden Dienstpflicht könne langfristig für ausreichend Personal sorgen. „Je schneller und klarer die Wehrpflicht kommt, desto besser“, so der CSU-Chef.

Auch aus den Reihen der Union kommt Unterstützung für Söders Kurs. Fraktionschef Jens Spahn (CDU) kündigte an, dass das Wehrdienstgesetz von Pistorius erst in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht werde. „Wir sind in guten Verhandlungen“, erklärte Spahn – man strebe einen „zügigen Abschluss“ an, der der angespannten Sicherheitslage gerecht werde.

Kritik am Freiwilligenmodell kam zudem vom Wehrbeauftragten des Bundestags, Henning Otte (CDU). „Der Ansatz der Freiwilligkeit hat bislang nicht die erhofften und erforderlichen Personalzahlen erreicht“, sagte er der Bild. Gegenüber den Funke-Zeitungen äußerte Otte „erhebliche Zweifel“ an Pistorius’ Konzept: „Die Bundeswehr scheitert als Freiwilligenarmee seit Jahren daran, ihre Truppenstärke zu erhöhen.“

Aus Sicht Ottes müsse der Staat bereits jetzt Strukturen schaffen, um rasch auf verpflichtende Elemente umschalten zu können, sollte das Freiwilligenmodell scheitern. „Wir müssen recht zeitnah eine Zwischenbilanz ziehen – den Luxus, erst einmal ein oder zwei Jahre abzuwarten, können wir uns nicht leisten.“

Otte betonte, eine Wehrpflicht sei „kein Allheilmittel“, aber ein „wichtiger Teil eines sicherheitspolitischen Gesamtkonzepts“. Dafür brauche es mehr als nur einen Gesetzesbeschluss: „Es erfordert Infrastruktur, Ausbildungskapazitäten und Material.“

OZD



OZD-Kommentar
Der Streit um die Wehrpflicht ist mehr als nur ein politisches Scharmützel – er ist ein Symbol für die Unsicherheit eines Landes, das seine Verteidigungsbereitschaft verloren hat. Pistorius kämpft um Akzeptanz für ein modernes Modell, doch die Zeit drängt. Russland rüstet auf, Europa zittert, und Deutschland diskutiert über Fragebögen. Söders martialischer Ton mag populistisch wirken, doch er trifft einen Nerv: Die Deutschen spüren, dass Sicherheit kein Selbstläufer mehr ist. Pistorius muss liefern – sonst holen andere das Zepter zurück.


Lesermeinungen
„Söder hat recht – Freiwilligkeit funktioniert einfach nicht mehr.“
„Nur Freiwillige, motivierte Soldaten, bis an die Zähne mit den besten Waffen der Welt bewaffnet, brauchen wir, alles andere ist ein Rückschritt.“ 
„Wehrpflicht? Nur, wenn Frauen auch einbezogen werden – alles andere ist überholt!“ Feme 


OZD-Analyse

Die Ausgangslage:
– Verteidigungsminister Pistorius will ein hybrides Modell: Freiwilliger Wehrdienst mit digitaler Erfassung.
– Ziel: 200.000 Rückmeldungen, 5.000 bis 10.000 zusätzliche Rekruten pro Jahr.
– CSU und Teile der CDU halten das für zu wenig ambitioniert.


Die Kritik:
– Söder fordert die klassische Wehrpflicht – verpflichtend, umfassend, verbindlich.
– Otte mahnt: Ohne Struktur und Material bringt kein Modell Erfolg.
– Die Union sieht Pistorius’ Entwurf als Symbol einer „zögerlichen Sicherheitskultur“.


Die politische Dimension:
– Vor dem Koalitionsgipfel wächst der Druck auf die SPD, klar Position zu beziehen.
– FDP und Grüne warnen vor einer Militarisierung der Gesellschaft.
– Der Streit könnte zur Grundsatzfrage über Deutschlands Rolle in Europa werden.


Mini-Infobox:
– Wehrpflicht in Deutschland: ausgesetzt seit 2011
– Wehrdienstgesetz von Pistorius: Beratung im Bundestag ab Mitte Oktober
– Geplante Dauer des neuen Wehrdiensts: 6–12 Monate
– Ziel: Steigerung der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr


Wer ist Henning Otte?
Henning Otte (CDU) ist seit 2024 Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestags. Der frühere Offizier gilt als einer der profiliertesten Verteidigungspolitiker der Union und setzt sich für eine bessere Ausstattung und höhere Truppenstärke der Bundeswehr ein.


Was ist die Wehrpflicht?
Die allgemeine Wehrpflicht wurde 1956 eingeführt und 2011 unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ausgesetzt. Sie verpflichtete junge Männer zum Wehr- oder Zivildienst. Aktuell wird über eine Wiedereinführung angesichts der sicherheitspolitischen Lage in Europa diskutiert.


OZD-Extras
– Der neue Wehrdienst soll laut Pistorius „attraktiv, digital und gerecht“ sein.
– Eine Mehrheit der Deutschen (54 %) spricht sich laut Umfragen für eine Rückkehr zur Wehrpflicht aus.
– Auch in Schweden und Litauen wurde die Wehrpflicht in den letzten Jahren reaktiviert.

Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.