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Machtkampf in Israel: Netanjahu bittet um Begnadigung – und entfacht politischen Sturm

Benjamin Netanjahu bittet Israels Präsident Herzog offiziell um Begnadigung. Die Opposition reagiert mit scharfer Kritik, fordert seinen Rückzug und warnt vor einem Angriff auf die Demokratie.

Benjamin Netanjahu hat das politische Israel mit einem historischen Schritt erschüttert: Der langjährige Regierungschef, seit Jahren wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht, bat Staatspräsident Isaac Herzog offiziell um Begnadigung. Ein Schritt, den das Präsidialamt als „außergewöhnlich“ einordnete – und der die ohnehin tief gespaltene Nation weiter in Aufruhr versetzt.

Netanjahu, der sämtliche Vorwürfe zurückweist, berief sich auf „nationales Interesse“. Sein Prozess, der seit fast sechs Jahren läuft, spalte das Land und drohe die politische Stabilität zu gefährden. In einer Videobotschaft erklärte der 76-Jährige, er wolle seine Unschuld weiter verteidigen, doch die sicherheitspolitische Lage zwinge ihn zu diesem Schritt.

Im Zentrum stehen drei Korruptionskomplexe: teure Luxusgeschenke im Gegenzug für politische Vorteile, mögliche Einflussnahme auf Medienberichterstattung sowie die Rolle seiner Frau Sarah. Schmuck, Zigarren, Champagner – Geschenke in Höhe von mehr als 260.000 Dollar sollen Netanjahu und seiner Frau gewährt worden sein. Der Premier weist alles zurück.

Die Opposition reagierte empört. Jair Lapid erklärte, eine Begnadigung sei nur nach einem Schuldbekenntnis und einem sofortigen Rückzug aus der Politik denkbar. Ähnlich äußerte sich Jair Golan, der von einem „Befreiungsakt für den Staat Israel“ sprach. Nur ein Abgang könne die Gesellschaft wieder einen.

Unterstützung kam hingegen aus Netanjahus eigener Koalition. Verteidigungsminister Israel Katz warb für den Schritt als Möglichkeit, die „tiefe Spaltung“ zu überwinden. Finanzminister Bezalel Smotrich nutzte die Gelegenheit zu einem Angriff auf die Justiz, die er als „politisch motiviert“ bezeichnete.

Die Lage ist angespannt: Israel befindet sich nach dem Hamas-Überfall im Oktober 2023 weiterhin im Ausnahmezustand. Eine von den USA vermittelte Waffenruhe erleichtert die Lage nur begrenzt. Gleichzeitig laufen harte Verhandlungen über die Zukunft des Gazastreifens und die Entwaffnung der Hamas.

Netanjahu, der bereits vor dem Krieg wegen seiner geplanten Justizreform unter massiven Protesten stand, versucht nun, die Justiz unter Druck zu setzen. Der von ihm kritisierte Zeitplan von drei Gerichtsterminen pro Woche sei „unmöglich“ zu erfüllen.

Ob Herzog tatsächlich begnadigt, ist völlig offen. Der Präsident kündigte an, nach umfassender Prüfung zu entscheiden – in einem Land, das politisch und gesellschaftlich an einer Belastungsgrenze steht.

OZD


OZD-Kommentar „Gnade oder Machtspiel? Netanjahus riskanter Befreiungsschlag“

Netanjahus Gnadengesuch ist mehr als ein juristischer Schritt – es ist ein politisches Manöver am Rand des demokratischen Vertrauens. Wer sich selbst als Opfer einer gespaltenen Nation inszeniert, während er selbst seit Jahren im Zentrum dieser Spaltung steht, wagt ein riskantes Spiel mit der politischen Moral des Landes.

Die Forderung nach Begnadigung ohne Schuldeingeständnis ist ein Dammbruch. Wenn der mächtigste Politiker Israels sich dem Urteil des Rechts entziehen möchte, sendet das ein verrheerendes Signal an Staat und Gesellschaft: Dass Macht wichtiger sein könnte als Rechtsstaatlichkeit.

Die Opposition hat recht, hier Alarm zu schlagen. Ein Premier, der um Gnade bittet, aber weiter regieren und sogar 2026 erneut antreten will, zieht das Land noch tiefer in die Krise. Eine Begnadigung ohne Rücktritt würde die israelische Demokratie auf Jahre lähmen.

Netanjahu versucht, politische Verantwortung mit juristischer Entlastung zu verknüpfen – doch beides gehört getrennt. Wenn Israel Stabilität sucht, dann nicht durch einen Akt persönlicher Rettung, sondern durch klare Konsequenzen.


Mini-Infobox

Offizielles Gnadengesuch an Präsident Isaac Herzog

Vorwurf: Geschenke und Medienbeeinflussung in drei Korruptionsfällen

Prozess läuft seit fast 6 Jahren

Opposition fordert: Schuldeingeständnis + Rückzug aus Politik

Unterstützung aus der Koalition, Kritik an Justiz

OZD-Analyse

1. Politische Dimension des Begnadigungsantrags
– a) Ein Premier im Amt bittet um Gnade – historische Seltenheit 
– b) Gefahr eines politischen Präzedenzfalls für künftige Amtsinhaber 
– c) Spaltung im Regierungslager und drohende institutionelle Krise 

2. Auswirkungen auf Israels Machtgefüge
– a) Schwächung des Vertrauens in Justiz und demokratische Prozessführung 
– b) Risiko: Begnadigung könnte Justizreform-Proteste neu entfachen 
– c) Opposition nutzt Momentum für erneuerte Forderungen nach Rücktritt 

3. Internationale Perspektive
– a) USA beobafchten Vorgang genau – Trump drängt offen zur Begnadigung 
– b) Signalwirkung an Partner im Gazakonflikt 
– c) Risiko einer außenpolitischen Schwächung durch innenpolitische Wirren 


Erklärungen

Wer ist Benjamin Netanjahu?
Benjamin „Bibi“ Netanjahu ist Israels am längsten amtierender Premierminister. Seit 1996 war er in mehreren Amtszeiten insgesamt 18 Jahre Regierungschef. Er gilt als eine der polarisierendsten Figuren der israelischen Politik.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.

Was ist eine Begnadigung in Israel?
Eine Begnadigung ist ein außergewöhnlicher juristischer Akt, den allein der Staatspräsident gewähren kann. Sie setzt meist Reue und ein Schuldeingeständnis voraus – was Netanjahus Fall besonders heikel macht.

OZD-Extras

Extra: Israels Justizkrise – ein zerrissenes Land zwischen Recht und Macht
Die Debatte um Netanjahus Begnadigung reiht sich ein in Jahre intensiver Auseinandersetzungen über die Unabhängigkeit der Justiz. Die Entscheidung könnte zum nächsten Wendepunkt eines Landes werden, das ständig zwischen Sicherheit und Demokratie balanciert.
Alle Angaben ohne Gewähr. Titelbild AFP.