1. Schwaches Ergebnis für den Parteivorsitzenden
CSU-Chef Markus Söder wurde am Freitag auf dem Parteitag in München zwar im Amt bestätigt, jedoch nur mit 83,6 Prozent der gültigen Stimmen – seinem zweitschlechtesten Ergebnis überhaupt.
Zum Vergleich: 2022 lag er bei 96,6 Prozent, ein Rekordwert. Der Stimmungstest fiel dieses Mal jedoch klar kritischer aus.
Von 635 gültigen Stimmen entfielen:
531 auf Söder
104 Gegenstimmen
9 ungültige Stimmen (von der CSU nicht mitgezählt)
Trotz fehlender Gegenkandidatur ist das Ergebnis ein spürbarer Autoritätsverlust.
2. Parteispitze überrascht – öffentliche Harmonie, interne Fragezeichen
Söder nahm das Ergebnis an und dankte für das Vertrauen. Doch sichtbar irritiert reagierte CSU-Generalsekretär Martin Huber, der den Parteichef zuvor überschwänglich gelobt hatte.
Die Diskrepanz zwischen Applaus in der Halle und Abstimmungsergebnis verdeutlichte:
Die CSU-Basis sendet ein Warnsignal, ungeachtet des offiziellen Schulterschlusses.
3. Manfred Weber als innerparteiliches Gegengewicht gestärkt
Parallel zur Dämpfer-Wiederwahl Söders erhielt Europapolitiker Manfred Weber ein starkes Mandat:
93,7 Prozent bei der Wahl zum stellvertretenden Parteichef
576 Ja-Stimmen von 615 gültigen Stimmen
Weber lag damit deutlich über allen anderen CSU-Vizes – und weit über Söder.
Innerhalb der Partei gilt Weber vielen als wichtigster alternativer Machtpol, der das heute sichtbar gewordene Unbehagen kanalisiert.
4. Jung-CSU und interne Kritik an Söder-Fokussierung
Zwar bleibt Söder unangefochten Parteichef, doch die Junge Union und weitere Parteiteile kritisieren seit längerem eine übermäßige Personalisierung auf Söder.
Das Ergebnis des Parteitags bestätigt, dass diese Stimmen nun in messbare Ablehnung umschlagen.
5. Söders Rede: Selbstlob, Krisendiagnosen und scharfe Abgrenzung zur AfD
In seiner Rede erhielt Söder ausgedehnten Applaus. Er hob hervor:
- angebliche Wende in der Flüchtlingspolitik,
- steigende Abschiebungszahlen,
- Erfolge wie die Pendlerpauschale und den Agrardiesel.
- Innenminister Alexander Dobrindt und Joachim Herrmann wurden ausdrücklich gelobt.
Zugleich warnte Söder vor:
- wirtschaftlichen Risiken durch den Umbau des deutschen Exportmodells,
- steigenden gesellschaftlichen Ängsten,
- dem Erstarken politischer Ränder.
Er zog mehrfach Parallelen zur Weimarer Republik und schloss eine Kooperation mit der AfD strikt aus:
„Wir dürfen die Fehler von Weimar nicht wiederholen.“
Kommentar
Das Wahlergebnis ist mehr als nur ein Schönheitsfehler: Es ist ein politischer Denkzettel für Markus Söder. Besonders brisant ist die Kombination aus großem Applaus in der Halle und deutlich reduziertem Stimmergebnis – ein klassisches Zeichen innerparteilicher Distanz. Die CSU sendet damit die Botschaft, dass ihr Vorsitzender trotz seiner Dominanz nicht unangefochten ist.
Die Stärkung Manfred Webers zeigt, wohin sich kritische Parteiströmungen bewegen: weg vom reinen Söder-Fokus, hin zu einer strategisch breiter aufgestellten CSU. Söder hatte gehofft, ein starkes Mandat als Rückenwind für sein bundespolitisches Profil zu erhalten. Stattdessen erhält er ein Warnsignal, das seine Autorität nach innen schwächt.
Inhaltlich bleibt Söders Rede eine Mischung aus Selbstvergewisserung und Alarmismus. Die strikte Abgrenzung von der AfD war erwartbar, doch der ständige Rückgriff auf Weimar-Vergleiche wirkt zunehmend instrumentell und verliert an analytischer Präzision. Die CSU kämpft sichtbar mit ihrer eigenen Identität zwischen Regierungsanspruch, konservativer Tradition und der Konkurrenz rechts der Mitte.
Der Parteitag hat bestätigt: Söders Führung steht – aber sie wackelt.
OZD
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Bild: AFP