Was sich derzeit zwischen der US-Regierung unter Donald Trump und der Harvard-Universität abspielt, reicht weit über einen verwaltungstechnischen Streit hinaus. Mit dem Entzug der Erlaubnis zur Aufnahme internationaler Studierender greift die Exekutive in das Herz des amerikanischen Hochschulsystems ein: die Offenheit, Internationalität und Autonomie der Wissenschaft.
Die Maßnahme trifft Harvard hart: Rund ein Viertel der Studierenden stammt aus dem Ausland. Der sofortige Ausschluss vom SEVIS-System bedeutet faktisch ein Visumverbot für neue Studierende – und lässt die Zukunft tausender junger Menschen in der Schwebe. Noch gravierender ist jedoch das Signal: Politischer Druck ersetzt akademische Kriterien.
Offiziell rechtfertigt Heimatschutzministerin Kristi Noem die Entscheidung mit mangelndem Schutz jüdischer Studierender und angeblich „rassistischen“ Diversitätsrichtlinien. Tatsächlich jedoch handelt es sich um einen durchsichtigen Versuch, politischen Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung von Universitäten zu nehmen. Der Vorwurf des Antisemitismus dient dabei offenkundig als Hebel – nicht zur Bekämpfung von Hass, sondern zur Durchsetzung ideologischer Konformität.
Die Maßnahme steht in einem größeren Zusammenhang: Schon zuvor hatte die Trump-Regierung Harvard milliardenschwere Fördermittel entzogen und die Universität öffentlich als „linksextrem“ und „antisemitisch“ verunglimpft. Dass ausgerechnet eine Institution, die sich öffentlich gegen Antisemitismus und für freie Meinungsäußerung positioniert hat, nun zum Ziel gemacht wird, zeigt: Es geht nicht um Sicherheit – es geht um politische Kontrolle.
Besonders bedenklich ist, dass mit dem Entzug der SEVIS-Erlaubnis ein bewährter Mechanismus der internationalen Mobilität instrumentalisiert wird. Das System war nie für politische Strafmaßnahmen gedacht, sondern soll internationale Talente an amerikanische Hochschulen binden – ein fundamentaler Baustein der akademischen Exzellenz der USA. Dessen Zweck nun zu verdrehen, stellt einen Tabubruch dar.
Auch juristisch ist das Vorgehen fragwürdig. Harvard spricht von einem „rechtswidrigen“ Akt und hat Klage eingereicht – zu Recht. Universitäten in einer Demokratie müssen unabhängig agieren können, auch gegenüber der Regierung. Der Versuch, mit Visa-Entzug politischen Druck auf Universitätsleitungen auszuüben, untergräbt die verfassungsrechtlich garantierte akademische Freiheit – ein Prinzip, das in den USA bislang als unantastbar galt.
Was bleibt, ist ein gefährlicher Präzedenzfall. Wenn politische Opportunität entscheidet, wer in einem Land studieren darf, wird das Bildungswesen zum Werkzeug der Machtausübung. Für eine Demokratie ist das ein alarmierender Zustand.
OZD
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