Laut dem aktuellen Jahrbuch des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI rüstet ein Großteil der neun Atommächte seine nuklearen Arsenale weiter auf. Obwohl die Gesamtzahl der atomaren Sprengköpfe weltweit im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken ist – von 12.405 auf 12.241 –, stellt SIPRI eine klare Tendenz zur Aufrüstung fest: Immer mehr Sprengköpfe werden in einsatzbereiten Zustand versetzt.
Insgesamt befinden sich laut SIPRI 9614 Sprengköpfe in den Militärlagern der Atomstaaten, 2100 davon in sogenannter „hoher Alarmbereitschaft“. Der Großteil dieser Sprengköpfe liegt in den Arsenalen der USA und Russlands. Besonders besorgniserregend sei, dass das letzte große Abrüstungsabkommen, New START, 2026 ausläuft – ohne ein Folgeabkommen in Sicht.
China und Indien haben als einzige Atommächte ihre Bestände erhöht, China von 500 auf 600 Sprengköpfe, Indien von 172 auf 180. Besonders China könnte laut SIPRI bis 2032 auf bis zu 1000 Sprengköpfe aufstocken und damit zu einer dritten nuklearen Großmacht aufsteigen.
Kommentar:
Die Zahlen aus dem SIPRI-Bericht erschüttern – nicht nur wegen der schieren Menge atomarer Sprengköpfe, sondern vor allem wegen der politischen Kurzsichtigkeit, mit der eine neue nukleare Eskalationsspirale eingeläutet wird. Anstatt echte Abrüstung zu betreiben, betreiben die Atommächte Symbolpolitik mit Sprengkraft.
Wenn selbst sogenannte „taktische Nuklearwaffen“ mit geringerer Sprengkraft inzwischen als „nutzbar“ oder „strategisch denkbar“ gelten, wird das Undenkbare plötzlich denkbar gemacht. Wer Nuklearwaffen „nutzbar“ macht, öffnet der globalen Katastrophe Tür und Tor.
Gerade die Weltmächte – USA, Russland und zunehmend auch China – tragen eine Verantwortung für den Frieden. Doch sie spielen mit dem atomaren Feuer und gefährden damit nicht nur ein globales Gleichgewicht, sondern auch das Überleben ganzer Regionen. Es ist ein Rückfall in die Logik des Kalten Krieges, mit dem Unterschied, dass heute deutlich mehr Akteure mitmischen – und die diplomatische Infrastruktur für Deeskalation schwindet.
Ausblick:
Die Warnung von SIPRI ist mehr als eine Mahnung – sie ist ein Weckruf. Wenn das letzte große Rüstungskontrollabkommen 2026 ausläuft und nicht ersetzt wird, droht eine neue Ära ungezügelter nuklearer Aufrüstung. Der Anstieg einsatzbereiter Sprengköpfe zeigt: Die Hemmschwelle sinkt.
Es braucht dringend eine Rückkehr zu ernsthaften Abrüstungsverhandlungen – bilateral wie multilateral. Die nukleare Rüstung darf nicht zum geopolitischen Machtspiel verkommen. Ohne diplomatischen Druck und internationale Kontrolle wird sich das Wettrüsten fortsetzen – und mit ihm die reale Gefahr eines Atomkriegs.
OZD
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Bild: AFP